Kriminalität

Teenager im Netz: Tausende Fälle von sexualisierter Gewalt

28.8.2024, 03:02 Uhr
Im Internet lauern auch Gefahren, nun gibt es neue Zahlen (Symbolbild)

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa Im Internet lauern auch Gefahren, nun gibt es neue Zahlen (Symbolbild)

Fast 5000 Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Internet hat die Plattform Jugendschutz.net im Jahr 2023 erfasst. Das seien zwei Drittel aller im Netz gegen den Jugendschutz registrierten Verstöße und 161 Fälle mehr als im Vorjahr 2022, teilten die Verantwortlichen bei der Vorstellung ihres Jahresberichts in Berlin mit.

Insgesamt registrierte das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern 7645 Verstöße gegen den Kinder- und Jugendschutz im Netz - und damit 282 Fälle mehr als 2022. Bei zwölf Prozent der erfassten Verstöße handele es sich um Pornografie und Sex-Darstellungen, bei elf Prozent um politischen Extremismus, hieß es. Allerdings ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, weil längst nicht alle Fälle gemeldet werden.

Künstliche Intelligenz erhöhe die Risiken für Gewalt und Mobbing

Insgesamt nehme das Gefährdungspotenzial für Kinder und Jugendliche im Netz zu, erklärte der Leiter von Jugendschutz.net, Stefan Glaser. Das liege zum einen an Anwendungen von Künstlicher Intelligenz, die es immer schwerer machten, Realität von Fälschung zu unterscheiden. Dadurch steige auch das Risiko für sexualisierte Gewalt, Mobbing und Extremismus.

Zum anderen würden Betreiber von Online-Diensten "zu wenig tun, um Kinder und Jugendliche zu schützen", beklagte Glaser. "Sie reagieren unzureichend, wenn ihnen Verstöße gemeldet werden. Und sie überprüfen die Altersangaben von Nutzenden nicht angemessen", sagte er. 

Zuvor hatte auch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, strengere Auflagen für Anbieter von Videoplattformen, sozialen Netzwerken und Online-Spielen mit Chatfunktion gefordert. Die bisherigen Pflichten würden nicht ausreichend umgesetzt, beklagte auch Claus. 

Tausende Verstöße an Behörden gemeldet

Jugendschutz.net hat nach eigenen Angaben im Jahr 2023 insgesamt 3210 Verstöße an Anbieter und Selbstkontrolleinrichtungen gemeldet. 3582 Fälle habe die Plattform direkt an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt, da kinder- und jugendpornografische Inhalte verbreitet worden seien oder Gefahr für Leib und Leben bestanden habe. Insgesamt seien bis zum Jahresende 90 Prozent der gemeldeten Verstöße (6902) beseitigt worden.

 

 

 

 

Viele Minderjährige würden es mittlerweile als "vollkommen normal" empfinden, mit sexueller Gewalt im Netz konfrontiert zu werden, sagte Claus. Es sei "absolut alarmierend", wie Kriminelle online "völlig ungehemmt" den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen anbahnen würden. "Im Netz agieren und kommunizieren Minderjährige letztlich ungeschützt. Soziale Kontrolle oder auch die Stärkung durch Eltern entfällt dort." Umso wichtiger sei es, einfache Melde- und Beschwerdewege und Hilfsangebote auszubauen, sagte Claus. Auch Ermittlungsbehörden bräuchten aus Sicht der Missbrauchsbeauftragten "bei dem Ausmaß an Gewalt im Netz" mehr Ressourcen.

Betroffene stünden unter "enormem Druck"

Auch brauche es verbindlichere Regeln auf europäischer Ebene, um Online-Anbieter per Gesetz dazu zu zwingen, Missbrauchsdarstellungen zu identifizieren und zu melden, sagte Claus. Hier stehe noch eine Einigung innerhalb der Bundesregierung und auf EU-Ebene aus. Die müsse zügig erzielt werden, mahnte Claus. Von Online-Kriminalität betroffene Kinder stünden unter einem "enormen" Druck, der in einigen Fällen auch zum Suizid führe.

An diesem Mittwoch will die Plattform Jugendschutz.net in Berlin ihren Jahresbericht 2023 zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz vorstellen. In einer Mitteilung betonten auch die Verantwortlichen vorab, dass die bisherigen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen "lückenhaft und unzureichend" seien. Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI) würden die Risiken für gefälschte Medieninhalte, Hetze und Missbrauch im Internet verschärfen, hieß es dazu weiter.