Nach Ausschreitungen: Lage in Chemnitz weiter angespannt

28.8.2018, 13:09 Uhr
In Chemnitz war es am Montagabend bei erneuten Demonstrationen wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen gekommen. Ausgangspunkt war unter anderem eine Demonstration der rechten Bewegung "Pro Chemnitz".

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild In Chemnitz war es am Montagabend bei erneuten Demonstrationen wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen gekommen. Ausgangspunkt war unter anderem eine Demonstration der rechten Bewegung "Pro Chemnitz".

Nach neuerlichen Ausschreitungen in Chemnitz wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Dienstag, Rechtsextremismus sei "nicht nur eine Bedrohung von Menschen anderer Herkunft, sondern eine Gefährdung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaften". Es müsse alles getan werden, um Menschenwürde, Demokratie und Freiheit zu verteidigen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) warnte vor einem Entstehen rechtsfreier Räume. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von einem erschreckenden Trend zu mehr Selbstjustiz. 

Maas erinnerte an die berühmte Rede des US-Bürgerrechtlers Martin Luther King. Am Dienstag vor 55 Jahren appellierte King mit dem immer wiederkehrenden Satzanfang "I have a dream", sich gegen Rassentrennung und Fremdenhass einzusetzen. "Solange radikale Hetzjagden veranstaltet werden, haben wir noch viel zu tun, damit der Traum von Gleichberechtigung Wirklichkeit wird", sagte Maas in Berlin. 

Barley betonte, es sei ein Grundprinzip des Rechtsstaates, dass Recht auch durchgesetzt werde. "Es darf nicht der Anschein entstehen, dass es Räume und Orte gibt, in denen das nicht der Fall ist", sagte sie dem "Handelsblatt" (Online). Straftaten müssten konsequent verfolgt werden: "Jagdszenen und Selbstjustiz darf es in Deutschland nie wieder geben." 

Zunehmende Gefahr durch Rechtsextreme

Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka warnte vor einer zunehmenden Gefahr von Inszenierungen im öffentlichen Raum durch Rechtsextreme. "Es gibt in unserem Land einen kleinen rechten Mob, der jeden Anlass zum Vorwand nimmt und nehmen wird, seine Gewaltphantasien von bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf unsere Straßen zu tragen", sagte er der "Rheinischen Post" (Dienstag). 

 

Der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow betonte, der Staat sei dafür da, mit Polizei und Justiz die Bürger zu schützen. "Wenn er das in den Augen vieler Bürger aber nicht mehr leisten kann, besteht die Gefahr, dass die Bürger das Recht selbst in die Hand nehmen und auf Bürgerwehren und Selbstjustiz bauen", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag). Dies sei ein erschreckender Trend. 

Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) forderte mehr gesellschaftliche Unterstützung. "Die Zivilgesellschaft darf nicht mehr schweigen", sagte sie im Radio SWR Aktuell. "Sie muss mit auf die Straße gehen und muss sich mit äußern, damit denjenigen, die für bürgerkriegsähnliche Zustände sorgen wollen, klar ist, wo die Mehrheiten liegen." 

Weitere Demonstrationen

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wollte sich am Dienstagmittag zu den Ausschreitungen äußern, auch die Polizei wollte eine erste Bilanz ziehen. Für den Nachmittag kündigten Rechtsextreme eine Demonstration vor dem sächsischen Landtag in Dresden an. Die Grünen-Fraktion beantragte noch für diese Woche eine Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag. 

In Chemnitz war es am Montagabend bei erneuten Demonstrationen wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen gekommen. Ausgangspunkt war unter anderem eine Demonstration der rechten Bewegung "Pro Chemnitz", an der sich nach Schätzungen rund 2.500 Menschen beteiligten. Die Polizei berichtete von einer angespannten Lage und von einzelnen Würfen von Gegenständen aus der und auf die Versammlung. Mehrere Menschen erlitten Verletzungen und mussten behandelt werden. Auch von Vermummungen im Aufzug von "Pro Chemnitz" war die Rede. In zehn Fällen wurden Ermittlungsverfahren wegen des Zeigens von Hitlergrüßen eingeleitet. An einer Gegendemonstration beteiligten sich nach Schätzungen rund 1.000 Demonstranten. 

Auslöser der aufgeheizten Stimmung in der westsächsischen Stadt ist der Tod eines 35-jährigen Deutschen in der Nacht zum Sonntag am Rande des Stadtfestes. Gegen die beiden mutmaßlichen Täter, einen 22-jährigen Iraker und einen 23-jährigen Syrer, war am Montag Haftbefehl erlassen worden.