Nächtliche Schüsse: USA bleiben auch mit Biden gespalten

24.3.2021, 07:58 Uhr
Schießereien auf Langeweile, Geprotzte oder zur Unterhaltung häufen sich in den Nächten in den USA. 

© dpa/ Daniel Karmann Schießereien auf Langeweile, Geprotzte oder zur Unterhaltung häufen sich in den Nächten in den USA. 

Seit dem Beginn der Pandemie haben solche sinnlosen Schießereien hier in den Nachtstunden zugenommen. Jedes Kaliber wird ausprobiert, sogar Maschinengewehrsalven hört man hin und wieder. 2020 stieg sogar die Mordrate in Oakland um nahezu 50 Prozent auf über 100. Die Ballereien aus Langeweile, Geprotze oder Hirnrissigkeit sind schon gar nicht mehr zu zählen. Dazu Autorennen, quietschende Reifen, am Morgen kann man die jüngsten "Donuts” auf dem Asphalt bewundern.


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Ich habe nun ein paar Wochen lang nicht mehr geschrieben. Irgendwie wollte ich das alles setzen lassen, was in den letzten Monaten in meinem Amerika passiert ist. Die Wahl, das Chaos, die Lügen, die Verschwörungstheorien danach. Der Sturm auf das Kapitol. Die verheerende Amtsübergabe. Das anfängliche und zögerliche Aufeinanderzugehen, dann die schnelle Kehrtwendung der Republikaner, der lautstarke Extremistenflügel in der GOP, Trumps erneute Einmischung in die Tagespolitik.

Amoklauf in Colorado

Am Dienstag wurde es ganz deutlich, wo Amerika in diesen Tagen steht. CNN berichtete live vom Amoklauf in Boulder, Colorado. One America News, FoxNews, Fox Business News, Newsmax, sie alle verschwendeten keine Minute an das Massaker in den Rocky Mountains, sondern "berichteten” über "Biden’s Border Crisis”. Das hämmern sie nun mit aller Gewalt, Tag für Tag, Sendung für Sendung unter das amerikanische Wahlvolk. Schon jetzt ist der Blick auf die "Midterms”, die Kongresswahl im November 2022 gerichtet, denn dann sollen die demokratischen Mehrheiten im Kongress fallen, Joe Biden damit zu einem "Lame Duck” Präsidenten werden, einem Mann im Weißen Haus, der nichts mehr politisch durchsetzen kann. Und das Ziel ist, Donald Trump erneut 2024 zum Wahlsieger zu machen.

Die republikanische Partei wird derzeit von einem lautstarken und nach der jüngsten Wahl gestärkten Extremistenflügel vor sich her getrieben. All diese jungen Abgeordneten haben von Trump gelernt. Sie verbreiten über ihre Kanäle auf Twitter, Telegram und anderen Lügen, Halbwahrheiten, Unglaubliches. Da ist von einer Invasion der Drogenkartelle an der Südgrenze die Rede, so, als ob jede Migrantin und jeder Migrant Gangmitglied, Mörder, Vergewaltiger sei. Joe Biden sei dement, von anderen gesteuert, nicht fähig, den Job als Präsident auszuüben, schon jetzt planen sie ein Amtsenthebungsverfahren. Der Sozialismus werde in den USA eingeführt, so die tägliche Behauptung von Marjorie Taylor Greene, jener QAnon Abgeordneten aus Georgia. Und sie wird gehört, beachtet, geteilt, ihr wird zugejubelt, wenn sie sagt, die Pandemie sei ein einziger Schwindel, von langer Hand vorbereitet und das Ziel sei die Bevölkerung zu entwaffnen und zu kontrollieren. Joe Bidens Erfolg hängt auch davon ab, wie er die Pandemie unter Kontrolle bekommt, doch das ist ungewiss, denn fast die Hälfte der Republikaner hat in Umfragen erklärt, dass sie sich nicht impfen lassen wollen. Man habe Zweifel an dem Vaccine. Mit Angst wird Politik gemacht, das haben sie alle von Trump gelernt.

Amerika in diesen Tagen ist nicht nur gespalten, es ist ein taumelndes Land, in dem nichts mehr so ist, wie es noch vor 15-20 Jahren war. Man kann nicht mehr nur von einer Gefahr des Extremismus sprechen, denn die Scharfmacher sitzen bereits im Parlament. Sie bestimmen in diesen Tagen die Diskussion mit, und ja, auch die politische Neuausrichtung der USA. Das zeigt sich an der massiven Propagandafront auf den einschlägigen Sendern, in den sozialen Medien, darin, wie sie die Diskussionen in den Bundesstaaten anführen, Gesetze und Richtlinien verändern, Amerika auf einen strammen Rechtskurs manövrieren.

Und an all das denkt man, wenn man morgens um kurz vor vier Uhr mit Pistolenschüssen geweckt wird. Auch das ein Zeichen dafür, dass hier irgendwas nicht mehr so läuft, wie es laufen sollte. Was da noch kommt, ist mehr als ungewiss. Aber ja, ich mache mir Sorgen.

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