Neuer Hype um TikTok-App: Berühmt in unter 15 Sekunden

10.7.2020, 11:58 Uhr

Eine Doppelstunde Deutsch, danach Mathe, Englisch und eine Doppelstunde Geschichte – ein normaler Schultag, zumindest in Deutschland. In Amerika ist dieser Ablauf zu öde. Prompt ließ der Sanger Unified School District in Kalifornien seine Schüler an einer "TikTok-Competition" teilnehmen. Die Teams trugen kurze Choreographien zu den für die App typischen Liedsequenzen vor, anschließend wurde ein Sieger gekürt. Das Video davon hatte auf YouTube über drei Millionen Aufrufe.

Doch was ist TikTok? Und welches Erfolgsgeheimnis birgt die App? Wird sie an deutschen Schulen auch bald zum Unterricht gehören? Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Aber die kurzen Video-Schnipsel haben weltweit einen Trend ausgelöst und werden von Jugendlichen stundenlang angesehen.

TikTok ist eine Videoplattform, die ihren Ursprung in China hat. Im Mai 2020 belief sich die Anzahl der monatlich weltweit aktiven Nutzer auf rund 184 Millionen. Zumindest teilte das der Betreiber der App mit. Dabei handelt es sich aber nur um die Nutzer, die über ein Android-System verfügen.

Fakt ist, die Zahl der monatlich aktiven TikTok-Nutzer über Android ist allein in diesem Frühjahr weltweit um rund 5,5 Millionen gestiegen. Bei den Download-Zahlen überholte zeitweise die boomende Videoplattform die Spitzenreiter YouTube, Instagram und Whatsapp. TikTok scheint also etwas richtig zu machen.

Einer der Erfolgsfaktoren: Das Prinzip der Plattform ist recht simple. Die Nutzer drehen kurze Clips (meist 15 Sekunden lang), hübschen sie mit Filtern und Stickern auf und laden sie anschließend hoch. Andere Nutzer können sich diese Videos ansehen, beurteilen und kommentieren.

Vorteil dank Schnelligkeit

Im Gegensatz zu anderen Programmen wie etwa Snapchat oder Instagram wählen die Nutzer vor dem Dreh des Videos eine Tonspur, zu der sie dann entweder ihre Lippen synchron bewegen oder vor der Kamera tanzen. Zudem kursiert eine Vielzahl an Tanz-Wettbewerben. Dabei einigen sich die Nutzer auf eine Choreographie zu bestimmten Lied-Zeilen und teilen das Video anschließend unter einem Hashtag.

Besonders beliebt ist TikTok bei Elf- bis 15-Jährigen, dabei ist die Plattform eigentlich erst für Jugendliche ab 13 Jahren freigegeben. Bei der Produktion geht alles ums Tempo. 15 Sekunden sind schnell vorbei, aber müssen vollgepackt sein mit Unterhaltung.

Nutzer auf TikTok brauchen in der Regel keine Angst vor rechtlichen Problemen wegen der verwendeten Musik zu haben. Das Videoportal arbeitet – laut eigenen Angaben – eng mit den Urhebern zusammen und übernimmt das Risiko.

Die Nutzer gehören weitgehend der selben Altersgruppe an. So fühlen sie sich unter sich, da Unternehmen bislang auch noch kaum Werbung schalten. TikTok kann zudem rasant zu Popularität verhelfen. Bekanntes Beispiel aus Deutschland sind die 18-jährigen Zwillinge Lisa und Lena. Die beiden haben mittlerweile 30 Millionen Follower. Jugendliche hören diese Erfolgsgeschichte und hoffen natürlich, selbst ein Influencer-Leben aufbauen zu können. Denn theoretisch geht das ja ganz einfach.

Die App ist aber nicht nur unterhaltsam. Immer wieder gerät TikTok in Verruf, nicht genug für den Jugend- und Datenschutz zu tun. 2019 mussten die Macher wegen mangelnder Datenschutzrichtlinien für Minderjährige in den USA rund 5,7 Millionen Dollar Strafe zahlen. Weitere Vorwürfe bestehen darin, dass die Altersbeschränkung der Videoplattform leicht zu umgehen ist und darüber hinaus zu wenig gegen Sexismus und Cybermobbing vorgegangen wird.

Und: TikTok kann süchtig machen. Wer schnell mal ein paar Videos ansehen will, verzettelt sich gern und hängt nicht selten stundenlang am Handy. Vor allem Teenager, die erst den Umgang mit sozialen Medien lernen müssen. Ob daher eine Schule ein TikTok-Projekt ausschreiben sollte, bleibt fraglich – selbst wenn sich die Schule im Land der unbegrenzten Möglichkeiten befindet.

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