Leise wie eine Autotür

Neuer Überschalljet Quesst: Wie die Nasa das Fliegen revolutionieren will

Anne-Sophie Reiß

Volontär

E-Mail zur Autorenseite

15.1.2024, 17:01 Uhr
So soll der Überschalljet X-59 Quesst in Zukunft aussehen. Aktuell existiert nur eine einzige experimentelle Version des Flugzeugs.

© Lockheed Martin/NASA/dpa So soll der Überschalljet X-59 Quesst in Zukunft aussehen. Aktuell existiert nur eine einzige experimentelle Version des Flugzeugs.

Es donnert schmerzhaft laut und die Fensterscheiben wackeln - fliegt ein Überschalljet über eine Siedlung, ist das nicht zu überhören. Die Nasa will diesen Lärm mit dem neuen Design der X-59 Quesst auf die Lautstärke einer zufallenden Autotür reduzieren und Überschallflüge wieder für Zivilisten ermöglichen.

Als die US-Raumfahrtbehörde vergangenen Freitag den neuen Überschalljet im Livestream vorstellte, fiel zu aller erst die unglaublich lange Nase des Flugzeugs auf. Die schmale Spitze macht etwa ein Drittel des Flugzeuges aus.

Kein Frontfenster

Das Experimentalflugzeug, das die Firma Lockheed Martin gebaut hat, ist 30 Meter lang und 9 Meter breit. Die schmale, lange Spitze soll die Schockwellen, die zu dem Überschallknall führen, brechen und so den charakteristischen Knall verhindern. Das komplette Design der Maschine soll die Schockwellen möglichst gut ablenken. Die Unterseite des Jets ist deswegen komplett glatt und das Triebwerk befindet sich auf der Oberseite des Flugzeugs.

Zudem besitzt die Maschine kein Frontfenster im Cockpit. Stattdessen blickt der Pilot über einen 4K-Monitor nach draußen. Mehrere hochauflösenden Kameras speisen den Bildschirm im Inneren. Dieses sogenannte eXternal Vision System wurde eigens für den Überschallflieger entwickelt.

Wie kommt es zu dem Knall?

Der Knall, wenn das Flugzeug die Schallmauer durchbricht, ist laut dem Hörakustikhersteller Geers mit bis zu 120 Dezibel gefährlich für das menschliche Gehör. Normalerweise breitet sich Schall mit einer Geschwindigkeit von 1200 Kilometern pro Stunde (1 Mach) gleichmäßig in alle Richtungen aus.

Fliegt ein Flugzeug schneller als sein Schall, stauen sich die Schallwellen vor der Maschine und bremsen sie aus. Beschleunigt das Flugzeug dann weiter, durchbricht es diese Schallmauer. Die Druckwelle, die dabei entsteht, nehmen die Menschen auf der Erdoberfläche als donnernden Knall wahr.

Diesen Lärm will die Nasa auf das Geräuschlevel einer zufallenden Autotür reduzieren. Die X-59 ist dabei der erste Schritt in diese Richtung. In diesem Jahr soll das Flugzeug einige Testflüge über amerikanischen Städten absolvieren, berichtet die Nasa. Dabei sollen der Lärm an sich und seine Wirkung auf die Menschen in den Gebieten untersucht werden.

Wenig umweltfreundlich

Die Quesst-Mission (kurz für: Quiet SuperSonic Technology, dt. leise Überschalltechnologie) hat dabei vor allem das Ziel, Daten zu sammeln und der Regierung zur Verfügung zu stellen. Durch die neue Bauweise will die Nasa wieder Überschallflüge für den kommerziellen Flugverkehr ermöglichen. Mit der X-59 könnten Passagiere in der Zukunft schneller als je zuvor reisen.

Kommerzielle Überschallflüge über Land sind in den USA bereits seit 1973 unter anderem wegen der Lärmbelastung verboten. Die bekanntesten Überschallflieger waren damals die Concorde oder die Tupolew. Auch wegen der hohen Wartungs- und Treibstoffkosten lohnten sich die Maschinen bald nicht mehr für den zivilen Flugverkehr, berichtet das amerikanische Institut der Elektro- und Elektronikingenieure (IEEE).

Durch die hohen Geschwindigkeiten brauchen Überschallflugzeuge deutlich mehr Energie und damit Treibstoff, erklärt Andreas Strohmayer, Professor für Flugzeugentwurf an der Universität Stuttgart, gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". Zudem würden die Maschinen höher fliegen als normale Passagierflugzeuge und damit Schadstoffe sehr weit hoch in die Atmosphäre ausstoßen. Dort würden sie um Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte langsamer abgebaut werden, als in niedrigeren Schichten, berichtet der Professor.

Das EU-Projekt MOREandLess untersucht bereits seit 2021 die Umweltfolgen von Überschallflugzeugen. Fliegen soll dabei über neue Antriebstechnologien und nachhaltige Kraftstoffe umweltfreundlicher werden. Dennoch äußert Strohmayer gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" seine Bedenken: "Ich glaube nicht, dass Überschallflug den Zeichen der Zeit entspricht. Das Schnellerfliegen von ein paar wenigen Reichen würde das Klima für alle gefährden."

Keine Kommentare