Panik oder Aufatmen? Wie unsere Kolleginnen und Kollegen den Ausfall von Whatsapp & Co. erlebten
5.10.2021, 15:38 UhrSebastian Böhm:
"Auf Twitter sind ohnehin nur Politiker, Journalisten und Psychopathen unterwegs." Dorothee Bär hat das gesagt, die einst als Journalistin gearbeitet hat und zumindest in ihrer CSU auch noch als Politikerin wahrgenommen wird. Damit hat sie ihre hunderttausend Follower beleidigt und eindrucksvoll gezeigt, dass sich Twitter-User hassen, vor allem aber sich und Twitter lieben. Und was war das für eine Häme, als am Montagabend die dunkle Seite der Macht kollabierte und sich die Fotobuch-Ästhetiker von Instagram und die Boomer von Facebook auf Dopamin-Entzug mit letzter Kraft auf die einzig ernst zu nehmende Meinungsplattform gehievt haben. Bedienungsanleitungen für Twitter wurden geteilt, mancher einer tat das sogar aus Nächstenliebe. Doro Bär hingegen twitterte: nichts. Am Dienstagmorgen postete sie allerdings den Sonnenaufgang aus dem Bundeskanzleramt – auf Instagram. Ich fürchte, wir haben sie verloren. Vielleicht besser so. Ich freue mich derweil über vier verzweifelte neue Follower, die seit Montagabend glauben, das ich (@boehmsso_nn) ihr Leben bereichere. Zumindest in der Redaktion werde ich übrigens als Journalist wahrgenommen.
Nina Dworschak:
Die Macht des Facebook-Konzerns hat sich am Montag eindrucksvoll gezeigt – und zu viel Bier in meinem Kühlschrank geführt. Dass auf WhatsApp nichts mehr geht, ist mir am frühen Abend aufgefallen. Ich war noch in der Arbeit, da wurden im Gruppenchat meiner WG erste Pläne für die Abendgestaltung ausgetauscht. Auf Pizza und Bier konnten wir uns noch einigen, genaueren Abstimmungen, wann die Pizza bestellt wird und wer das Bier besorgt, gingen nicht mehr. Auf Verdacht ging ich nach der Arbeit erstmal Bier kaufen. Schon an der Supermarktkasse begann mein Bauch zu knurren. Meine Hoffnung, dass die Pizza schon da ist, wenn ich heimkomme, wurde leider nicht erfüllt. Dafür war der Kühlschrank voll mit Bier – ein anderer Mitbewohner hatte nämlich die gleiche Idee wie ich. Auf die Pizza mussten wir eine Stunde warten, in der ich mehrmals vergeblich versuchte, Instagram zu checken. Mit Verspätung wurde es ein schöner Abend. Kurz bevor ich ins Bett gehen wollte, packte ich noch meinen Laptop aus, um meinem Freund eine E-Mail zu schreiben. Während des Tippens leuchtete plötzlich mein Handy auf: "Sie haben eine SMS erhalten."
Johanna Husarek:
Und schon steht die Welt für einen kurzen Moment still: Ein paar Stunden ohne Selfies, ohne Herzchen- und Hass-Botschaften, ohne halböffentliche Familienalben – wie gut das doch tut! Alles, was bis dato viral so wichtig schien, war weg. Wie wunderbar. Kein Gepiepse und Geklopfe auf der Küchentheke, wo sich sonst die Handys und Tablets stapeln und geräuschvoll irgendetwas Weltwichtiges von sich geben. Und nun? Ein seltener Moment der Ruhe. Ruhe, um miteinander zu reden. Ruhe, um gemeinsam zu essen. Ruhe, um ein Buch zu lesen. „Post für den Tiger“ wäre jetzt passend, in dem der Kleine Bär und der Kleine Tiger sich bald nichts mehr zu sagen haben, weil sie via unterirdisches Kabel-Telefon-Unterhaltungsnetz hin und her, kreuz und quer, kommunizieren. Eine Welt ohne zig Kommunikationskanäle, das wär’s! Doch mitten in der Nacht: Aus der Traum! „Soll ich einkaufen gehen?“, fragt mich mein Handy. „Nee“, murmele ich meinem Mann ins Ohr. „Das hätte dir auch mal früher einfallen können.“
Katrin Wiersch:
Die Kinder sind im Bett und meine Whatsapp-Primetime beginnt - eigentlich. Gestern nicht. Da blieb das Handy ruhig. Keine Nachrichten von meinen liebsten Freundinnen, mit denen ich mich abends gerne über den Wahnsinn des Alltags, Gossip oder andere Dinge austausche, Fotos und Erlebnisse hin und herschicke. Ganz ehrlich: Ich habe mich sofort meinem Schicksal ergeben, habe das Handy ausgemacht und zusammen mit meinem Mann ganz bewusst einen Film angesehen. Schön war's, mach ich jetzt wieder öfters.
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