Im Auftrag der Staatsanwaltschaft
Polizei überwachte wohl monatelang Telefonate zwischen "Letzte Generation" und Journalisten
25.6.2023, 14:50 UhrDie Generalstaatsanwaltschaft München hat offenbar seit Oktober 2022 das Pressetelefon der "Letzten Generation" abhören lassen. Investigativrecherchen der "Süddeutschen Zeitung" sollen belegen, dass die Ermittler des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) auch Telefonate mit Journalisten belauscht hätten.
Grund für die Abhöraktion: Die Ermittler würden dem Verdacht nachgehen, ob die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung gebildet habe. Den Verdacht hierfür ziehen die Ermittler aus der Vermutung, Mitglieder der "Letzten Generation" könnten im April 2022 versucht haben, eine Ölleitung im Landkreis Freising zu sabotieren.
Basis für die Abhörmaßnahmen seien Gerichtsbeschlüsse des Amtsgerichts München. Ein Ermittlungsrichter habe am 13. Oktober 2022 die Überwachung des Pressetelefons angeordnet und das am 26. Januar noch einmal bis zum 26. April erneuert. Ob es eine weitere Erneuerung gab, ist unklar.
Obwohl die Ermittler sogar im Januar dokumentiert hatten, dass unter diesem Anschluss fast ausschließlich Medienvertreter anriefen, die Presseauskünfte und Interviews verlangten, setzte das LKA die Überwachung fort. Neben dem Pressetelefon hätten die Ermittler auch die Privathandys einiger Aktivisten im Blick behalten, berichtet die "SZ".
Quellenschutz und Pressefreiheit
Abgehört werden dürfen Journalistinnen und Journalisten nur dann, wenn es einen begründeten Verdacht gibt, dass diese direkt an einer Tat, oder an "einer Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei" beteiligt sind, heißt es im Paragraphen 160a des Bundesverfassungsgerichts. Denn Pressevertreter sind "Berufsgeheimnisträger". Das bedeutet, es ist wichtig, dass Protagonisten ihren journalistischen Ansprechpartnern Geheimnisse anvertrauen können. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Gespräche vertraulich bleiben. Aus dem Grund dürfen Journalisten sogar vor Gericht Aussagen verweigern, um ihre Protagonisten zu schützen.
Die Ermittler müssen also zwischen Strafverfolgung und Pressefreiheit abwägen. In Paragraph 160a steht auch: "Betrifft das Verfahren keine Straftat von erheblicher Bedeutung, ist in der Regel nicht von einem Überwiegen des Strafverfolgungsinteresses auszugehen." Zu dieser notwendigen Abwägung steht in den Beschlüssen des Amtsgerichts München allerdings nichts, berichtet die "SZ". Lediglich, dass die Überwachung des Telefons "unentbehrlich" sei, da man anders nicht hinter die Geheimnisse der "Letzten Generation" komme. Allerdings hatte das Bayerische LKA auch festgestellt: "Erkenntnisse über bevorstehende Aktionen, welche nicht bereits durch Pressemitteilungen oder -Konferenzen veröffentlicht wurden, konnten im Rahmen der Überwachung nicht festgestellt werden."
Vertreter der "Letzten Generation" hingegen schon. Sprecherin Carla Hinrichs erklärte gegenüber der "Tagesschau": Das Vorgehen der Ermittler sei "verstörend". Auf Instagram wirft die Organisation die Frage auf: "Was für Geschütze werden aufgefahren, um unserem friedlichen Protest zu begegnen?"
Oberstaatsanwalt Klaus Ruhland von der Generalstaatsanwaltschaft München bestätigt auf Anfrage, dass sieben Mitglieder der "Letzten Generation" abgehört wurden. Ruhland schreibt: "Klarzustellen ist, dass die Beschlüsse sich nicht gegen Journalistinnen oder Journalisten richteten. Diese waren aufgrund von Anrufen über die überwachten Telefonnummern allerdings von den Maßnahmen betroffen." Außerdem schildert er: Die Verhältnismäßigkeit bezüglich der Pressefreiheit sei ständig geprüft worden, allerdings seien die Verantwortlichen zu dem Schluss gekommen, "dass diese Maßnahmen vor dem Hintergrund des Tatvorwurfes der Bildung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung als Straftat von erheblicher Bedeutung verhältnismäßig sind."