Ewige Agonie

Qualen über den Tod hinaus: Forscher wollen Rätsel um „schreiende Mumie“ gelöst haben

Stefan Besner

Online-Redaktion

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2.8.2024, 18:50 Uhr
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© IMAGO/Cover-Images (Symbolbild)

Der letzte Schrei ist aktuell Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Genau genommen geht es um einen 3.500 Jahre alten Todesfall. Forscher haben die Mumie einer Ägypterin mit weit aufgerissenem Mund und verzerrten Gesichtszügen untersucht. Ist das Rätsel um die "schreiende Mumie" damit gelöst?

Qualen über den Tod hinaus

Im alten Ägypten galt eine ausgezeichnete Konservierung des Körpers als wichtige Voraussetzung für den Übergang ins Jenseits. Die erstaunlich gut erhaltenen Mumien von unter anderem verschiedenen Pharaonen zeugen noch heute von der Perfektion, die die alten Ägypter in dieser Kunstform erreichten. Eine Mumie jedoch gibt lange Rätsel auf. Wie im Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch hat sie den Mund weit aufgerissen, die Gesichtszüge wirken wie unter grässlichen Qualen, die sich weit über den Tod hinaus erhalten haben. Wie "Scinexx" berichtet, könnte das der Wahrheit näherkommen, als bislang gedacht. Wissenschaftler könnten das Mysterium um die "schreiende Mumie" nun gelüftet haben.

Die "schreiende Mumie" aus dem Grab des Senmut

Die rund 3.500 Jahre alten Überreste der ägyptischen Frau waren bereits 1935 in der Nekropole Deir El-Bahari nahe Luxor entdeckt worden. Die in einem mit Bemalungen verzierten Holzsarkophag bestattete Tote wurde demnach unter dem Grab des Architekten und Oberaufsehers Senmut entdeckt. Er gilt als möglicher Liebhaber der Pharaonin Hatschepsut. Wer die Schreiende selbst war, ist allerdings unbekannt, ganz im Gegensatz zum Grund ihrer Namensgebung.

Die Mumie mit der Bezeichnung CIT8 ist zwar nahezu perfekt erhalten, zeigt jedoch einen für Mumien ungewöhnlichen Gesichtsausdruck. Denn anders als bei den meisten bekannten Mumien ist ihr Mund nicht geschlossen und durch Kinnbinden gesichert, sondern weit aufgerissen wie zu einem Schrei.

Warum blieb der Mund offen?

"Bisher wurde ein offener Mund nur bei zwei anderen Mumien gefunden", berichten Sahar Saleem von der Universität Kairo und Samia El-Merghani von der ägyptischen Archäologiebehörde laut "Scinexx". Im ersten Fall war eine ungenügende Einbalsamierung schuld. Beim zweiten warteten die Einbalsamierer nicht, bis die Leichenstarre abgeklungen war, so wurde der Gesichtsausdruck der sterbenden Prinzessin konserviert.

Mithilfe eines hochauflösenden Computertomografen haben Saleem und El-Merghani die schreiende Mumie näher untersucht, sie führten eine virtuelle Autopsie durch und analysierten Proben von Haut, Haaren und Perücke der Toten mittels Röntgenstreuung, Spektroskopie und Rasterelektronenmikroskopie. Die Analysen enthüllten, dass das verzerrte Gesicht der Toten nicht auf eine schlampige Einbalsamierung zurückzuführen ist. Zwar hatte man anders als üblich innere Organe und Gehirn nicht entfernt, dennoch war die Tote mit großem Aufwand und Sorgfalt mumifiziert worden. "Zusammen mit dem guten Erhaltungszustand der Mumie widerlegt dies die Annahme, dass ein Nicht-Entfernen der inneren Organe auf eine minderwertige Einbalsamierung hindeutet."

Grausame Hinrichtungsmethode als Ursache?

Anzeichen für eine schwere Krankheit konnten die Forscher nicht entdecken. "Die CT-Scans der schreienden Mumie zeigen uns ihre Todesursache nicht und liefern auch keine eindeutige Erklärung für ihr Aussehen", dennoch haben die Forscher einen Verdacht zur Ursache ihres verzerrten Gesichts. "Der Grund könnte ein sogenannter Kadaver-Krampf gewesen sein", erklärt Saleem. Anders als die Leichenstarre tritt eine solche spastische Verkrampfung direkt nach dem Tod ein und betrifft nur einzelne Muskelgruppen. Eine derartige Muskelstarre könne bei starker emotionaler Erregung oder Gewalteinwirkung auftreten.

Man habe einen solchen Kadaver-Krampf schon zuvor bei einem hingerichteten Pharao entdeckt. Es könnte darauf hindeuten, dass die Frau bei ihrem Tod vor Qualen und Schmerzen schrie. Ihr in Agonie verzerrtes und verkrampftes Gesicht versteifte sich und ließ sich nach dem Tod nicht mehr lockern. Das könnte erklären, warum die Einbalsamierer den Mund der Toten nicht schließen konnten. Der genaue Grund wie auch die Todesursache bleiben bis weiters allerdings ein Geheimnis der Mumie, vielleicht für immer.