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Sie töteten aus Verzweiflung ihr Baby: Kindsmord von damals bis heute

Jannik Westerweller

Volontär

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09.04.2025, 06:31 Uhr
Es gibt etliche historische Erzählungen über Kindstötungen.

© IMAGO/Zoonar.com/ZWOLINSKI JAN/IMAGO/Zoonar Es gibt etliche historische Erzählungen über Kindstötungen.

Es sind schockierende Geschichten. Geschichten, die in drei Jahrhunderten stattfinden. Und auch bis heute kommt es immer wieder zu derart grausamen Taten. Das Wiener Museum für Schwangerschaftsabbrüche und Verhütung erzählt auf seiner Homepage tragische Geschichten von vielen Frauen, die aus Verzweiflung ihr Kind töteten. Achtung: Für viele können diese Geschichten verstörend wirken.

Sie soll die Fehlgeburt forciert haben

November 1769: Catharina H. steht vor Gericht. Der Vorwurf lautet: Kindsmord. Sie soll ein totes Kind geboren, in ein Hemd gewickelt und es heimlich mit den Händen verscharrt haben. Die Schwangerschaft soll sie davor geheim gehalten haben - aus Angst vor ihren Eltern. Ihr wird vorgeworfen, die Schwangerschaft absichtlich beendet und das ungeborene Kind getötet zu haben. Indem sie etwa mit ihren Fäusten auf den Bauch geschlagen hat, gesprungen oder gestürzt ist oder etwa Gift genommen hat.

Catharina H. wird gefoltert. Doch nicht einmal auf der Streckbank gesteht sie, das Kind absichtlich getötet zu haben. Der Kindsmord kann ihr nicht nachgewiesen werden, sie kommt verhältnismäßig glimpflich davon. Sie wird dazu verurteilt, drei Monate ein Halseisen zu tragen und gemeinnützige Arbeit zu verrichten. Man kann sich kaum ausmalen, welche Strafe ihr gedroht hätte, hätte sie unter dem Druck der Folter die Tat gestanden.

Der Vater drohte, sie und das Kind umzubringen

Ein anderer Fall im Jahr 1909 in Österreich. Die 27-jährige Marie P. ist alleinerziehende Mutter. Nur drei Monate lang zahlt Johann K., der Vater ihres Kindes, nach der Geburt Unterhalt für sie und das Kind. Sie ist auf sich alleine gestellt, kommt als Näherin gerade so über die Runden. Sie möchte rechtliche Schritte gegen den Kindsvater einleiten, doch der droht, sie und das Kind umzubringen.

Wenig später wird Marie P. wieder schwanger, von einem anderen Mann. Während der Schwangerschaft soll dieser Mann ihr immer wieder Briefe geschrieben haben, in denen er sie dazu drängt, das Kind umzubringen. In einer Märznacht gebärt sie einen Jungen. Sie habe das Kind mit einem dafür hergerichteten Tuch erdrosselt. Den Leichnam des Kindes soll sie in einer Kiste neben dem Bett haben. Erst Jahre später wird die Leiche, nun mumifiziert und von Insekten zerfressen, gefunden.

Johann K. wirft ihr öffentlich vor, das Kind getötet zu haben. Erneut droht er, sie umzubringen. Aus Angst kommt sie wieder mit ihm zusammen. Dann wird Marie P. wieder schwanger von ihm, möglicherweise aus einer Vergewaltigung. Als sie es ihm von der Schwangerschaft erzählt, soll er geantwortet haben: „Mach's so wie mit dem anderen!“ Wenige Monate später tötet sie das Kind, ein Mädchen, auf dieselbe Art und Weise.

Ein weiteres Mal wird sie schwanger von dem Mann, der sie immer wieder bedroht. Auch dieses Kind soll sie nach der Geburt getötet haben, dieses Mal mit einer um den Hals gelegten Schnur. Schließlich wird das Paar angeklagt. Johann K. bestreitet, davon gewusst zu haben. Seine Briefe beweisen aber, dass er Marie P. gedroht und sie zu diesem Schritt gedrängt hat. Beide werden zu zehn Jahren Kerker verurteilt, vierteljährlich verschärft durch Arbeitslager. So erzählt es das Wiener Museum für Schwangerschaftsabbrüche und Verhütung.

Aus Angst vor der Familie

April 2024, München. Eine 20-Jährige gesteht, ihren neugeborenen Sohn in der Kloschüssel ertränkt zu haben. Das berichteten mehrere Medienhäuser übereinstimmend. Sie sei mit dem Kind überfordert gewesen, außerdem habe sie Angst gehabt, wegen eines unehelichen Kindes aus der christlichen Familie verstoßen zu werden. Ihr Vater habe sich als Abtreibungsgegner engagiert.

„Mütter ohne Namen“: Neue Podcast-Folge von „Bye Bye Baby Boom“ online

All diese Frauen befanden sich in akuten Notsituationen, als sie sich dazu entschieden, ihr Baby zu töten. Seit einigen Jahren aber gibt einen Weg, den Frauen gehen können, damit es gar nicht zu einer solch grausamen Tat kommen muss: die vertrauliche Geburt. Die Frauen gebären mit medizinischer Betreuung. So ist die Geburt sicher für Mutter und Kind. Nach der Geburt werden die Babys dann zur Adoption freigegeben. Frühestens wenn die Kinder 16 Jahre alt werden, können sie etwas über ihre leibliche Mutter erfahren. Ein Angebot für Frauen, die keinen Schwangerschaftsabbruch wollen, für die es aber auch nicht infrage kommt, ein Kind zu bekommen.

In der zweiten Folge von „Bye Bye Baby Boom - Wollen wir keine Kinder mehr?“ sprechen wir mit zwei Frauen, einer Hebamme und einer Beraterin, die solche Geburten erlebt haben. In der Folge „Mütter ohne Namen“ erzählen sie, was die Frauen bewegt - und von dem Moment, in dem das schreiende Baby aus dem Kreißsaal getragen wird, weg von der Mutter. Zu hören ist die Folge ab jetzt, überall, wo es Podcasts gibt.

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