Sind die Virologen in zwei große Lager gespalten?
08.11.2020, 17:13 Uhr
Die Gesellschaft für Virologie (GfV) schreibt in einer aktuellen Stellungnahme, dass sie die derzeit geltenden Corona- Maßnahmen in Deutschland für "erforderlich und notwendig" hält. Unterzeichnet haben sie eine Vielzahl von Virologinnen und Virologen, darunter Christian Drosten von der Berliner Charité. "Wir distanzieren uns von der Art und Weise, wie verschiedene Vorschläge zur Pandemieeindämmung vorgebracht werden und auch von einigen Inhalten", so die GfV. Explizit erwähnt wird die Darstellung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Risikogruppen gezielt schützen
Das entsprechende Positionspapier der KBV entstand unter Mitwirkung der Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit, die es in der vergangenen Woche mit vorgestellt hatten. Es spricht sich unter anderem gegen einen pauschalen Lockdown aus. Stattdessen müsse man die Risikogruppen gezielter schützen, heißt es darin.
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Einige Mediziner-Verbände, die zunächst als Unterstützer aufgeführt wurden, distanzierten sich von den Thesen des Papiers. Die GfV kritisiert nun zudem, dass darin der Anschein erweckt werde, es handle sich um die gesammelte Meinung von Wissenschaft und Ärzteschaft. Dies gelte für die Mehrzahl der Virologinnen und Virologen "ganz sicher nicht".
Fragen statt Antworten
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, wertet Kritik an den aktuellen Maßnahmen als Meinung einer Minderheit: Da seien ein paar Leute vorgeprescht und hätten ein Papier produziert, "das viele Fragen stellt, aber alle Antworten offenlässt", sagte er kürzlich im Deutschlandfunk.
Streeck sieht sich als "Brückenbauer" zwischen Befürwortern und Kritikern der Corona-Beschränkungen: "Ich habe immer gesagt, dass es sich um ein ernstzunehmendes Virus handelt", sagte er der Rhein-Zeitung. "Wir sollten es aber auch nicht überdramatisieren." Einen Ausweg aus wiederkehrenden Lockdowns sieht er weiterhin im Schutz von Corona-Risikogruppen. "Wenn wir den jetzigen Lockdown nutzen, um den Schutz von Risikogruppen als höchste Priorität zu definieren, und mit Maßnahmen hinterlegen und keine Probleme mehr mit einer möglichen Überlastung von Intensivstationen haben, brauchen wir keine solchen drastischen Maßnahmen mehr."