Nachbarrecht
Bambushecke zu hoch? Bundesgerichtshof prüft Nachbarstreit
21.02.2025, 05:02 Uhr
Entlang der Grundstücksgrenze zu ihrem Nachbarn pflanzt eine Frau 2018 Bambus an. Wenige Jahre später ist er zu einer sechs Meter hohen Hecke gewachsen. Daran stört sich ihr Nachbar - und zieht vor Gericht. Aber kann er dort verlangen, dass die Eigentümerin das Gewächs um gut die Hälfte zurückschneiden muss? Das prüft der Bundesgerichtshof (BGH). Am 28. März wollen die Richterinnen und Richter ihre Entscheidung verkünden.
Konkret fordert der Kläger von seiner Nachbarin, dass sie ihre Bambushecke auf drei Meter zurückschneidet und dafür sorgt, dass sie nicht wieder über diese Höhe hinauswächst. Am höchsten deutschen Zivilgericht ging es in der mündlichen Verhandlung dabei auch um die Frage: Was ist überhaupt eine Hecke? Und fällt der Bambus der Beklagten unter diese Definition? Das spielt bei der Frage nach den Ansprüchen des Nachbars eine entscheidende Rolle.
Was Hecken im Nachbarrecht von Sträuchern unterscheidet
Das Hessische Nachbarrecht schreibt für Hecken nämlich geringere Abstände zum Nachbargrundstück vor als zum Beispiel für Bäume und Sträucher. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte die Klage des Nachbarn in der Vorinstanz abgewiesen. Schließlich habe die Beklagte den für über zwei Meter hohe Hecken vorgeschriebenen Abstand von 0,75 Metern eingehalten. Außerdem lägen keine "ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen" vor, die die Ansprüche des Klägers aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis begründen würden.
Zu der Frage, was eine Hecke denn ausmacht, hatten die Anwälte der Parteien unterschiedliche Auffassungen. "Eine Hecke ist dadurch gekennzeichnet, dass sie gepflegt wird", sagte auf der Klägerseite Rechtsanwalt Peter Wassermann. Sie könne nicht beliebig in alle Richtungen wachsen, sondern müsse regelmäßig geschnitten werden. Wenn sie eine gewisse Höhe überschreite, könne sie daher nicht mehr als Hecke gelten.
Beeinträchtigung oder Gartenbaukunst?
Laut der Rechtsanwältin Sophie Thürk, die die Beklagte vertritt, könne es nicht sein, dass eine Hecke ihre Eigenschaft als solche verliert, wenn sie eine bestimmte Höhe überschreitet. Es komme bei der Einstufung als Hecke nicht auf ihre Höhe an. Sie betonte am BGH die Vorteile, die eine Hecke mit sich bringt. "Sie ist ein lebendiges Element der Gartenbaukunst", so Thürk. Eine Hecke biete Sicht- und Lärmschutz und habe zudem einen ökologischen Wert.
"Der Genuss der Hecke ist eine Frage der Perspektive", erwiderte Kläger-Anwalt Wassermann. Für seinen Mandanten sei sie vielmehr eine Beeinträchtigung. Wenn der Kläger aus seinem Haus schaue, blicke er auf eine Art Bambuswand, erläuterte Wassermann nach der Verhandlung. "Wenn es regnet oder schneit, lasten die Niederschläge zusätzlich auf diesen Blättern, sodass sich diese Bambuspflanzen auf sein Grundstück hinüberneigen." Die Bambus-Anpflanzung habe für ihn daher "eine erdrückende Wirkung".
Wie hoch darf eine Hecke sein?
Der BGH will in dem Verfahren außerdem klären, ab wo die Höhe der Hecke gemessen werden müsste, falls es eine Höhenbegrenzung gäbe. Denn das Grundstück des Klägers liegt tiefer als das der Beklagten. Der Nachbar möchte daher, dass von seinem Grundstück aus gemessen wird. Der Eigentümer des höheren Grundstücks habe von Haus aus einen größeren Schutz, sagte Wassermann. Daher sei auf die Perspektive des Nachbars abzustellen, "der eben vor dieser grünen Wand steht".
Womöglich muss der Nachbarstreit bald noch einmal in Frankfurt verhandelt werden. Der Fünfte Zivilsenat erklärte in seiner vorläufigen Einschätzung, es könnte strittig sein, ob die Beklagte überhaupt tatsächlich den für Hecken gültigen Mindestabstand von 0,75 Metern zum Nachbargrundstück eingehalten habe. In dem Fall hätte der Nachbar ohnehin einen Anspruch darauf, dass die Hecke zurückgeschnitten wird. Dazu müssten aber Beweise erhoben werden.
Die Vorinstanzen waren in ihren Beurteilungen des Falls zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Während die Klage am Landgericht Frankfurt erfolgreich war, wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sie später ab. Die Frau habe den im Hessischen Nachbarrecht festgelegten Grenzabstand eingehalten, so das OLG. Zudem lagen keine "ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigungen" vor, die die Ansprüche des Klägers aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis begründen würden.
Nicht der erste Nachbarstreit
Es ist längst nicht das erste Mal, dass ein Streit zwischen Nachbarn um die Gartenbepflanzung am BGH landet. Im Sommer 2021 ging es dort etwa um eine 40 Jahre alte Schwarzkiefer in Berlin, deren breite Krone zwei Jahrzehnte lang in den Garten des Nachbars ragte. Der hatte irgendwann genug von den abfallenden Nadeln und Zapfen - und griff zu Astschere. Dafür wurde er von den Eigentümern der Kiefer verklagt. Doch der BGH entschied: Der Mann durfte die Äste stutzen - und zwar auch, wenn der Baum infolge droht, einzugehen.
Ein anderes Mal ging es um vier Zypressen, die dicht an der Grenze eines Grundstücks in Baden-Württemberg standen. Ein Nachbar verlangte vor Gericht, dass sie gefällt oder wenigstens auf eine Höhe von maximal 3,50 Metern zurückgeschnitten werden. Der BGH-Senat sah ihn im Recht - und klärte an dem Beispiel 2021 gleich eine grundsätzlichere Frage zum kurz vorher reformierten Wohnungseigentumsgesetz.
Schon etwas weiter zurück liegt die Entscheidung des Gerichts zu der Klage eines älteren Ehepaars, denen im eigenen Garten Licht und Sonne fehlte. Die Eheleute wollten die Stadt Bielefeld zwingen, 25 Meter hohe, gesunde Eschen zu fällen. Doch beim BGH hatten sie damit keinen Erfolg. Sogenannte negative Emissionen - wie der Entzug von Licht und Luft durch Bauten oder Bäume - müssten geduldet werden, wenn sie nicht unerträglich seien, erklärte der Senat 2015 und bekräftigte damit seine ständige Rechtssprechung zu dem Thema.
Pools, Pferde und Zigarettenqualm
Auch über die Grundstücksbepflanzung hinaus hat das Karlsruher Gericht schon den einen oder anderen Nachbarstreit geregelt. So entschied es 2023, dass die Eigentümer einer Doppelhaushälfte nicht ohne gemeinsamen Beschluss mit den Nachbarn hätten beginnen dürfen, in ihrem Teil des gemeinschaftlichen Gartens einen Pool zu bauen. In einem anderen Fall entschied es, dass ein Mann die Bohrlöcher wieder beseitigen musste, die er beim Anbringen einer Markise in die Außenwand des Nachbarn gebohrt hatte.
Vor gut zehn Jahren landete die Klage eines Ehepaars in Karlsruhe, das den Zigarettenqualm seiner Nachbarn aus der unteren Etage nicht ertragen wollte. Sie bekamen recht. Raucher könnten dazu verpflichtet werden, nur zu bestimmten Zeiten auf ihrem Balkon zur Zigarette zu greifen, so der BGH. Und 2020 gab es Streit um einen Pferdestall. Der BGH entschied, die klagenden Nachbarn müssten sich lautes Wiehern und Schläge gegen die Boxenwände nicht gefallen lassen. Der Senat untersagte es der verklagten Inhaberin des Hofes, in dem Stall weiter Pferde unterzubringen.
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