Heftige Kritik

Tausende Seemeilen weit: Start-up verschifft Gletschereis von Grönland nach Dubai - für Cocktails

Johannes Lenz

Online-Redakteur

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07.02.2024, 14:27 Uhr
Das Eis reist rund 17.000 Kilometer weit um die halbe Welt, um in Gläsern in Dubai zu landen (Symbolbild).

© via imago-images.de Das Eis reist rund 17.000 Kilometer weit um die halbe Welt, um in Gläsern in Dubai zu landen (Symbolbild).

"Exquisit aus den unberührten Gletschern Grönlands" - mit diesem Slogan bewirbt das grönländische Unternehmen "Arctic Ice" sein Produkt: Eis. Eis, das so rein ist, dass es auf der Wasserfläche kaum zu sehen ist und deshalb auch als "schwarzes Eis" bezeichnet wird. Das gefrorene Wasser aus den Fjorden um die Stadt Nuuk entpuppt sich als wahrer Exportschlager - am größten ist die Nachfrage in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wie das Magazin "Forschung und Wissen" berichtet, hat "Arctic Ice" seit der Firmengründung im Jahr 2022 bereits rund 20 Tonnen Gletschereis gesammelt und nach Dubai verschickt.

Das Gletschereis ist ein echtes Naturprodukt - und als solches bewirbt das Unternehmen es auch auf seiner Homepage: "Das arktische Eis stammt direkt von den natürlichen Gletschern in der Arktis, die seit mehr als 100.000 Jahren gefroren sind. Diese Teile der Eisschilde sind weder mit Böden in Berührung gekommen, noch durch Schadstoffe aus menschlichen Aktivitäten verunreinigt worden", heißt es dort. Das arktische Eis sei deshalb das sauberste Wasser der Welt. In Grönland selbst wird das Eis schon länger zum Kühlen von Getränken genutzt, nun haben Bars, Hotels und Restaurant in Dubai das exklusive Produkt für sich entdeckt.

Das Geschäftsmodell von "Arctic Ice" steht heftig in der Kritik - Malik Rasmussen, Mitbegründer des Start-ups, berichtete gegenüber dem "Guardian" sogar von Todesdrohungen. In den sozialen Netzwerken hagelt es negative Kommentare: "Ihr solltet euch schämen", kommentierte eine Nutzerin einen Instagram-Post von "Arctic Ice". "Hört auf, den Planeten für Cocktails zu zerstören", schreibt ein anderer. Das Unternehmen scheint sich der Angriffsfläche für Kritik bewusst zu sein und betont auf seiner Homepage, die Gletscher auf der Insel unangetastet zu lassen - man würde lediglich Eis, das sich durch Schmelzprozesse von den Gletschern löst und in den Fjorden treibt, ernten.

Dennoch: auf seiner 19-tägigen Reise legt das "schwarze Eis" rund 9000 Seemeilen - etwa 17.000 Kilometer zurück, wie das Magazin "20 Minuten" weiß. Zwar beruft sich das Unternehmen darauf, dass Grönland mehr exportieren als importieren würde und die Container, in denen das Eis transportiert wird, andernfalls leer aus Grönland abfahren würden. Allerdings gilt dieses Argument nur für den Reiseabschnitt bis nach Dänemark - dort werden die meisten Container von und nach Grönland umgeladen. Gegenüber "20 Minuten" gab der schweizerische Gletscherexperte Samuel Nussbaumer zu bedenken, dass die Transportemissionen "einen sehr hohen negativen Impact" hätten und "jeglicher Vernunft" widersprechen würden.

Ein weiteres Argument von "Arctic Ice": Durch die "Ernte" von Eisbergen, die ansonsten ins Meer schmelzen würden, leiste man einen Beitrag gegen den Anstieg des Meeresspiegels. Auch hier hält Nussbaumer dagegen: helle Eisschollen würden die eintreffenden Sonnenstrahlen stärker reflektieren als die dunkle Meeresoberfläche, das Entfernen der Eisberge wirke sich deshalb eher negativ auf die Erderwärmung aus.

Aller Bedenken zum Trotz gibt "Arctic Ice" an, eine Mission zu verfolgen: Man wolle nicht nur die Kundschaft bedienen, sondern auch einen Beitrag zum Umweltschutz und für die lokale Gemeinschaft in Grönland leisten. In einem Videoclip auf Instagram berichtet der Firmen-Mitbegründer Malik Rasmussen beispielsweise, dass das Unternehmen dazu beitragen möchte, das Gesundheitssystem in Grönland verbessern und Kinderheime errichten zu wollen. "Dieser ganzheitliche Ansatz ermöglicht es uns, einen positiven Einfluss auf die Welt um uns herum zu nehmen", heißt es auf der Firmen-Website.