Eine neue Art der Vernetzung

TikTok-Verbot droht: Erste Creator verabschieden sich von ihrer Community

Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

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13.1.2025, 11:58 Uhr
TikTok-Anhängerin Mona Swain (M) und ihre Schwester Rachel Swain (r), beide aus Atlanta, verfolgen die Abstimmung im Kapitol in Washington, als das Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf verabschiedete, der zu einem landesweiten Verbot der beliebten Video-App führen würde, wenn der in China ansässige Eigentümer nicht verkauft. Der Gesetzgeber behauptet, dass der Eigentümer der App, ByteDance, der chinesischen Regierung verpflichtet ist, die Zugang zu den Daten der TikTok-Kunden in den USA verlangen könnte.

© J. Scott Applewhite/dpa TikTok-Anhängerin Mona Swain (M) und ihre Schwester Rachel Swain (r), beide aus Atlanta, verfolgen die Abstimmung im Kapitol in Washington, als das Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf verabschiedete, der zu einem landesweiten Verbot der beliebten Video-App führen würde, wenn der in China ansässige Eigentümer nicht verkauft. Der Gesetzgeber behauptet, dass der Eigentümer der App, ByteDance, der chinesischen Regierung verpflichtet ist, die Zugang zu den Daten der TikTok-Kunden in den USA verlangen könnte.

Im April 2024 hatte der US-Senat mit einer großen Mehrheit von 79 zu 18 Stimmen für ein Gesetz gestimmt, welches den Eigentümerwechsel bei TikTok erzwingen soll. Der in China ansässige Bytedance-Konzern muss deswegen bis zum 19. Januar ernsthafte Verkaufsgespräche geführt haben, ansonsten fliegt die App aus dem us-amerikanischen App-Store. Die Folge wäre, dass die aktuell mehr als 170 Millionen Nutzer die App zwar nutzen können, aber keine Updates mehr erhalten - auch Neuanmeldungen würden nicht mehr möglich sein. Bereits jetzt beginnt für viele Nutzerinnen und Nutzer der Abschied.

Mit Verstreichen der Frist droht eigentlich nicht das sofortige TikTok-Ende. Zuvor hatte Anwältin des Justizministeriums, Elizabeth B. Prelogar, erklärt, dass am 19. Januar "nichts Dauerhaftes" geschehen müsse und noch Zeit für einen Verkauf sei. Noel Francisco, Anwalt für TikTok, glaubt jedoch, dass nach diesem Tag die App "ohne Intervention abgeschaltet" werden würde, berichtet "BBC".

TikTok: Information, Entertainment, Job?

In der dynamisch, schnellen Landschaft von TikTok wird das bevorstehende Aus selbstverständlich auch thematisiert. In klassischer GenZ-Manier erklären Nutzerinnen und Nutzer dabei, dass sie gern auf Datenschutz verzichten, solange sie nicht zur Konkurrenz müssen oder aber verabschieden sich von ihrem "persönlichen chinesischen Spion", welcher seit Jahren mitschaut. Inmitten der Witze ignorieren die Nutzerinnen und Nutzer aber nicht die Sicherheitsbedenken. Vielen Usern ist augenscheinlich bewusst, aus welchem Grund die Plattform gebannt werden soll. Doch trotzdem stehen sie für den Fortbestand der App ein - und das hat verschiedene Gründe.

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Auf den ersten Blick scheint TikTok eine reine Quelle für Entertainment zu sein. Inzwischen nutzen junge Menschen TikTok aber auch oft als Haupt-Informationsquelle. Wie das Leibniz-Institut für Medienforschung erklärt, genießen Social-Media-Plattformen wie TikTok das Vertrauen junger Leute, da sie nach ihrer Ansicht "die richtigen Themen auf neutrale Art mit der entsprechenden unterhaltenden Darstellungsweise behandeln." Die dort angebotenen unterschiedliche Perspektiven, seien zudem nicht nur als Informationsquellen zu bewerten, sondern sind die Grundlage zur Bildung einer eigenen Meinung, erklären die Befragten.

Möglicherweise zieht es deswegen immer mehr Menschen auf die Plattform. Seit dem internationalen Start im Jahr 2018 nutzen mehr als eine Milliarde Menschen TikTok, nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung befinden sich rund 150 Millionen dieser Nutzerinnen und Nutzer in Europa. Während Unternehmen hier ihre Chance zur Vermarktung wittern (und dies zum Teil auch sehr erfolgreich dann tun), konnten sich viele durch die Plattform ihr finanzielle Freiheit ermöglichen. Zahlreiche TikTok-Creatorinnen und -Creator produzieren inzwischen hauptberuflich Videos für die Plattform. Für sie gleicht ein mögliches Aus dem Ende. In den vergangenen Tagen hatten deswegen US-amerikanische Influencer ihre wohl letzte Chance genutzt.

Ein Betroffener ist der Content-Creator Drew Talbert, welcher gemeinsam mit Frau Andrea Kelley die Bistro Huddy-Reihe produziert. "Es sieht so aus, als ob TikTok in den Vereinigten Staaten verboten werden würde", erklärt der User in seinem jüngsten Video. Ihm sei nicht klar, ob dies schlagartig geschieht oder was genau passieren wird. TikTok sei aber ein Wendepunkt in seiner Karriere gewesen und deswegen wolle der 48-Jährige betonen, dass er dankbar für das Publikum sei, dass ihm alles gab "was er sich jemals gewünscht hatte". Jetzt, kurz vor TikTok-Ende sei ihm bewusst, dass seine Follower die andere Plattformen "hassen", dennoch hofft Talbert, dass sie ihn dort ebenfalls folgen. Talbert ist nicht der einzige Content-Creator, der einen "Umzug" auf andere Plattformen vorbereitet.

Skepsis beim Obersten US-Gericht

Die Plattform hatte bereits im vergangenen Jahr Klage gegen das Gesetz eingereicht. Das Verbot würde gegen das von der Verfassung garantierte Recht auf Redefreiheit verstoßen, argumentiert TikTok. Beim Versuch, das bald drohende Aus in den USA abzuwenden, ist die App aber auf skeptische Richter am Obersten Gericht in Washington getroffen. So verwies Richterin Amy Coney Barrett darauf, dass das betreffende Gesetz nicht ein Verbot der App fordere, sondern lediglich den Verkauf durch den aktuellen Besitzer Bytedance vorschreibe. Damit hätten Tiktok und Bytedance die Möglichkeit gehabt, durch eine Trennung den Fortbestand der Plattform in den USA zu sichern, argumentierte sie.

In dem Gesetz wird auf das Risiko verwiesen, dass China sich Zugriff auf Daten von Amerikanern verschaffen und Einfluss ausüben könne. Bytedance wird in den USA parteiübergreifend als chinesisches Unternehmen betrachtet. Tiktok kontert, Bytedance sei zu knapp 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren. Der Firmensitz liege auf den Cayman-Inseln in der Karibik. Allerdings betonen US-Politiker, dass der chinesische Gründer dank höherer Stimmrechte bei einem Anteil von rund 20 Prozent die Kontrolle habe und das Hauptquartier von Bytedance in Peking sei, wo man sich dem Einfluss der Behörden nicht entziehen könne.

Donald Trump, der am 20. Januar als nächster US-Präsident vereidigt wird, bat die Richter seinerseits vor einigen Tagen um einen Aufschub der Frist. Trump argumentierte, er könne die Plattform mit Verhandlungen retten und zugleich eine Lösung für die Sicherheitsbedenken der US-Regierung finden.

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