Mister Lonely

Ungewollt Single: Warum immer mehr Männer keine Partnerin finden

Stefan Besner

Online-Redaktion

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27.9.2023, 12:44 Uhr
Immer mehr Männer finden auch über einen längeren Zeitraum hinweg keine Partnerin.

© Foto: Frank Sorge via www.imago-images.de Immer mehr Männer finden auch über einen längeren Zeitraum hinweg keine Partnerin.

In den letzten 30 Jahren ist speziell der Anteil der Männer in der wachsenden Gruppe der Langzeit-Singles zunehmend gestiegen. Und der Trend scheint sich laut "Psychology Today" (PT) nicht abzuschwächen, sondern - im Gegenteil - sogar noch zu verstärken. Obwohl man nicht unbedingt in einer Beziehung sein muss, um ein glückliches Leben zu führen, so sind Männer meist glücklicher und auch gesünder, wenn sie in einer Partnerschaft leben, schreibt die Psychologiezeitschrift. Das hat verschiedene Gründe, die sowohl soziodemografische Ursachen haben als auch in der männlichen Psyche selbst zu suchen sind.

Starkes Gefälle bei Dating-Apps

Einsam? Auf der Suche? Da gibt es eine vermeintlich simple Lösung. Über Dating-Apps bekommt man zig amouröse Angebote, unter denen man nur noch auszuwählen braucht - jedenfalls, wenn man eine Frau ist. Bei den meisten Männern sieht die Sache dagegen schon etwas anders aus. Einer Studie zufolge nutzen in Deutschland laut "Wirtschaftswoche" fast doppelt so viele Männer (63 Prozent) Dating-Apps wie Frauen. Der Wettbewerbsdruck ist somit hoch, Zufallsbegegnungen mit Traumpartnern werden entsprechend seltener.

Aus dem starken Geschlechter-Gefälle bei Dating-App-Usern erwächst zumindest für den männlichen Teil ein Folgeproblem. Denn: Wer viel Auswahl hat, versucht, das Beste für sich herauszuholen. In diesem Fall sind das die Frauen. Sie selektieren, erwarten, entscheiden. Bevorzugt werden laut "Psychology Today" Männer, die emotional verfügbar sind, gut kommunizieren können und ähnliche Werte teilen. Da kann nicht jeder punkten.

Anerzogene Defizite

Laut PT liegt das Problem des unfreiwilligen Singledaseins vieler Männer unter anderem auch in der Erziehung. Die Bindungsfähigkeit sei oftmals beeinträchtigt, was bei einer Überrepräsentation des eigenen Geschlechts auf Partnerbörsen automatisch zu schlechteren Chancen führe. "Das Problem für Männer ist, dass eine emotionale Bindung das A und O einer gesunden, langfristigen Liebe ist. Emotionale Bindung erfordert all die Fähigkeiten, die Familien ihren Jungen immer noch nicht konsequent beibringen", heißt es in dem Artikel.

Der Evolutionspsychologe Menelaos Apostolou sieht zudem Ursachen in der evolutionären wie soziodemografischen Entwicklung der Menschheit. Viele Männer könnten einfach nicht flirten. Das führt Apostolou in einem Bericht auf "Heise Online" darauf zurück, dass es früher für Männer schlicht und ergreifend nicht notwendig gewesen sei, um Frauen zu werben, weil zum Beispiel die Eltern diese ausgewählt hätten. Sie hätten sich nicht anstrengen müssen, das habe irgendwie überlebt und mache jetzt Probleme.

"Single-Männern fehlen oft die Flirtfähigkeiten, weil im vorindustriellen Kontext Selektionszwänge auf Mechanismen, die Paarungsanstrengungen und wählerisches Verhalten bestimmen, schwach waren. Solche Fertigkeiten sind heute notwendig, weil in postindustriellen Gesellschaften die Partnerwahl nicht geregelt oder erzwungen ist, sondern die Menschen müssen ihre Partner selbst finden", so Apostolou.

Einsamkeit mitunter tödlicher als Fettleibigkeit

Das Resultat dieser Entwicklung ist häufig Einsamkeit - und die ist nicht bloß psychisch belastend, sondern kann konkrete, gesundheitliche Gefahren nach sich ziehen. Eine Auswertung von 70 Studien, in die rund 3,4 Millionen Menschen, meist aus Nordamerika, einbezogen waren, zeigt, dass Einsamkeit, soziale Isolation und Alleinleben die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Tods signifikant erhöhen. Das Risiko sei sogar höher als bei vielen anderen gesundheitsschädlichen Faktoren. So sei ein frühzeitiger Tod als Folge von Einsamkeit wahrscheinlicher als bei Fettleibigkeit.

Sind Introvertierte, Schüchterne oder Männer mit kommunikativen Defiziten respektive emotionalen Bindungs-Schwierigkeiten also ein hoffnungsloser Fall? Nun, zwar sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache, was die Anzahl der männlichen, heterosexuellen Singles angeht, dennoch gibt es auch gute Nachrichten.

Die Algorithmen von Dating-Apps und anderen Online-Plattformen werden immer komplexer. Ein Vorteil davon ist, dass es immer mehr sinnvolle Matches gibt. Die Betreiber der Dating-App Hinge fanden bei Beta-Tests beispielsweise heraus, dass 90 Prozent der Nutzer ihr erstes Date positiv bewerteten. 72 Prozent gaben an, sie würden sich ein zweites Date wünschen. Und wer sich nicht auf die Algorithmen der Partnerbörsen verlassen will, der kann letzten Endes immer noch an sich selbst arbeiten. Denn Liebe erwächst erst aus Kommunikation - und die kann man üben.