Impfpflicht und fatshaming

Unter der Gürtellinie: Grünen-Politikerin ist corona-positiv und erntet Shitstorm auf Twitter

Hicran Songur

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27.1.2022, 21:08 Uhr
Grünen-Politikerin Ricarda Lang spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht für über 18-Jährige aus.

© Guido Kirchner, dpa Grünen-Politikerin Ricarda Lang spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht für über 18-Jährige aus.

Die Politikerin Ricarda Lang stellt sich beim Grünen-Parteitag an diesem Freitag und Samstag zusammen mit Omid Nouripour zur Wahl für die neue Doppelspitze der Partei. Am Mittwoch hielt Lang ihre erste Bundestagsrede. In der Debatte um eine allgemeine Corona-Impfpflicht ab 18 Jahren sprach sich die 28-Jährige für die Einführung aus. Die Vorsitzkandidatin betonte, dass es eine verdammt hohe Impfquote braucht, um die Überlastung des Gesundheitssystems vorzubeugen und weitere Corona-Wellen zu verhindern. "Und deshalb stehe ich heute hier und werbe dafür, dass wir das Hamsterrad dieser Pandemie durchbrechen und eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren auf den Weg bringen", so Lang.

Ausgebuht und unterbrochen

Während ihrer Rede wurde die Grünen-Politikerin mehrfach von Zwischenrufen der AfD-Abgeordneten unterbrochen. Mit einer direkten Ansprache verdeutlichte Lang, dass die Töne aus dem rechten Rand des Saals die Weiterführung des Diskurses nicht verhindern. "Denn bei der Debatte um die Impfpflicht gibt es gute Argumente dafür und dagegen", so die stellvertretende Bundesvorsitzende. "Politik muss auch in einer komplexen Situation bereit sein, schwierige Entscheidungen zu treffen. Ich will nicht, dass wir im Herbst wieder an der gleichen Stelle stehen und alles nochmal von vorne losgeht."

Shitstorm auf Twitter

Wie bei vielen anderen Befürwortenden der allgemeinen Impfpflicht kam es auch bei Ricarda Lang zu großer Kritik in den Sozialen Netzwerken. Die Zeilen der Twitter-Nutzerinnen und Nutzer können jedoch nicht als Gegenargumente gedeutet werden. Beleidigungen und entwürdigende Bildmanipulationen richten sich gegen das Körpergewicht der Politikerin. Eine Nutzerin wirft der Vorsitzkandidatin vor, die allgemeine Impfpflicht nur zu befürworten, da sie selbst durch ihr Übergewicht ein erhöhtes Risiko für einen schweren Infektionsverlauf hat. Andere Nutzer appellieren im Gegenzug für eine Diät- und Sportpflicht, damit das Gesundheitssystem durch Krankheiten seitens der Grünen-Politikerin nicht belastet wird.

Zwischen den vielen Hass-Kommentaren finden sich auch einige unterstützende Aussagen. Ein Beispiel hierfür ist Pia Lamberty, eine Sozialpsychologin, die zu Verschwörungstheorien forscht. Sie schreibt auf Twitter: "Es zeigt sich wieder einmal, wie Frauen, die sich öffentlich äußern, attackiert und beleidigt werden. Es geht darum, Frauen aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen und sie zum Schweigen zu bringen", und ruft die Nutzerinnen und Nutzer des Nachrichtendienstes zur Solidarität mit Ricarda Lang auf.

Positiv auf Corona getestet

Doch statt abzuklingen, verschärft sich die Lage in den sozialen Netzwerken, als Ricarda Lang auf Twitter bekannt gibt, dass sie positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Das habe ein PCR-Test am Mittwochabend nach ihrer ersten Rede im Bundestag ergeben. "Zum Glück bin ich dreifach geimpft, mir geht es gut und ich verspüre keine Symptome", schreibt die 28-Jährige. Impfskeptikerinnen und -skeptiker sehen den Test-Status der Grünen-Politikerin als Argument gegen eine Corona-Impfung. Und das, obwohl die Impfung nur vor einem schweren Verlauf schützt und das Risiko einer Ansteckung weiterhin besteht.

Ricarda Lang klärt auf ihrem Twitter-Kanal auf: "Wir wissen, dass die Impfung sehr zuverlässig vor schweren Verläufen und dem Tod schützt, aber vor allem bei Omikron weiter das Risiko besteht, sich anzustecken" und appelliert an alle, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Außerdem teilt die Politikerin auf Instagram mit, dass sie an der Bundesdelegiertenkonferenz am Wochenende digital teilnehmen werde.

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