Vor allem Bayern betroffen
Verdeckte Aufnahmen zeigen schreckliche Zustände: Tierschutzverband kritisiert Anbindehaltung
20.1.2024, 19:23 UhrIn einer Pressemeldung kritisiert der Deutsche Tierschutzverband den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion "Landwirtschaft unterstützen statt ruinieren" und fordert ein Verbot für jegliche Form von Anbindehaltung von Rindern. In dem besagten Antrag geht es darum, dass Landwirte auch weiterhin ihre Tiere in Kombinationshaltung halten können. Das bedeutet, dass die Rinder um die 120 Tage im Jahr auf der Weide oder auf einem Laufhof verbringen können. Die restliche Zeit, vor allem im Winter, können Landwirte ihre Tiere weiterhin angebunden im Stall halten.
Der "Bayerische Rundfunk" (BR) veröffentlichte Bilder einer verdeckten Aufnahme, die zeigen, in welchem Zustand sich Tiere aus dieser Kombinationshaltung befinden. In einer gemeinsamen Recherche haben die Vereine "Soko Tierschutz" und "Foodwatch" Bilder aus insgesamt acht Ställen in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen gemacht. Die Zustände seien laut einer Pressemeldung von "Foodwatch" tierschutzwidrig. "Kühe, die angekettet und von Fäkalkrusten bedeckt sind und sich kaum bewegen können – unsere Recherchen dokumentieren erschütternde Zustände", berichtet Friedrich Mülln von "Soko Tierschutz".
Laut der Recherche soll die Milch aus den betroffenen Ställen teilweise an bekannte deutsche Marken gehen. Umso mehr kritisieren die Vereine, dass die Marken mit Bildern werben, die Kühe auf grünen Wiesen zeigen. Mehr als eine Million Tiere sollen in Deutschland in Ställen angebunden sein, darunter auch Bullen und junge Tiere in der Mast. "Es darf keine Übergangsfristen oder Ausnahmeregeln für solche Straftaten geben", fasst Mülln zusammen.
Laut dem 2021 veröffentlichten Koalitionsvertrag plant die Bundesregierung, die Anbindehaltung in spätestens zehn Jahren zu beenden. "Offen bleibe, ob diese Forderung nur die ganzjährige Anbindehaltung betreffe oder ob auch die Kombinationshaltung betroffen sei", heißt es in einer Pressemeldung des Bundestages. Würde die saisonale Anbindehaltung weiterhin bestehen bleiben, könnten die Tiere dennoch nur 120 Tage auf der Weide verbringen. "Das ist viel zu wenig für die bewegungsfreudigen Tiere!", erklärt Frigga Wirths, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund.
Der Tierschutzverband bekräftigt seine Haltung mit einem Gutachten der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vom Sommer 2023. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass es wissenschaftlich erwiesen sei, "dass das Wohlergehen von Kühen, die dauerhaft in Ställen angebunden sind, beeinträchtigt ist". Laut der daraus folgenden Empfehlung der EFSA soll die Anbindehaltung europaweit beendet werden, Tiere sollen nur noch während einer Übergangszeit angebunden werden dürfen - dabei sollen sie zeitweise dennoch die Möglichkeit haben, auf einer Weide oder einem Laufhof zu stehen.
Laut dem "BR" seien viele Landwirte besorgt, wie ihre Zukunft aussehen wird, wenn die Bundesregierung die Anbindehaltung verbietet. Eine kombinierte oder gar freie Haltung würde für viele einen Umbau bedeuten. Vor allem für Landwirte, die nur wenige Tiere haben, würde solch ein Beschluss wohl das Ende bedeuten. Markus Drexler, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbands, erklärt gegenüber dem "BR", dass auch die Bauern verstehen: Eine ganzjährige Anbindehaltung kann in Zukunft nicht mehr funktionieren. Die Bauern bräuchten aber mehr Zeit, um alles vorzubereiten und umzusetzen. Seit der Jahrtausendwende sollen die Betriebe mit Anbindehaltung von 37.000 auf derzeit 13.000 zurückgegangen sein. Bayern wäre besonders stark von einem möglichen Beschluss betroffen. Laut dem Bauernverband hält die Hälfte der Betriebe im Freistaat ihre Tiere noch in Anbindehaltung.
"Foodwatch" zeigt sich in seiner Pressemitteilung verständlich gegenüber den Bauern. Es sei klar, dass Landwirte Planungssicherheit brauchen. "Ein Verbot würde erst nach einer Übergangsfrist greifen, damit die betroffenen Betriebe Zeit haben, ihre Ställe um oder neu zu bauen", heißt es in der Meldung. Jedoch könne ein mögliches Verbot für Tierhalter nicht überraschend kommen. "Bereits 2016 hat der Bundesrat einen Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung gefordert. Seit langem ist klar: Die tierquälerische Praxis ist nicht zukunftsfähig", fasst der Verein zusammen.