Hinter Graffitis

Vermächtnis der Kreuzritter: Zufälliger Sensationsfund in Jerusalemer Grabeskirche

Stefan Besner

Online-Redaktion

E-Mail zur Autorenseite

17.7.2024, 21:30 Uhr
Kommissar Zufall und ein Team aus Forschern entdeckten bei Umbauarbeiten ein Relikt.

© IMAGO/Sharon Eilon / SOPA Images/IMAGO/SOPA Images Kommissar Zufall und ein Team aus Forschern entdeckten bei Umbauarbeiten ein Relikt.

Hinter einer mit Graffitis vollgeschmierten Wand verbarg sich in der Grabeskirche von Jerusalem lange Zeit unbemerkt eine Sensation. Kommissar Zufall und ein Team aus Forschern entdeckten dort nun den mit 3,5 Metern Breite größten bekannten mittelalterlichen Altar - ein verloren geglaubtes Relikt aus der Zeit der Kreuzritter.

Hochaltar der Kreuzritter

Seit Jahrzehnten galt der im Jahr 1149 eingeweihte Kreuzritter-Hochaltar als verschollen, wie es auf "vaticannews" heißt. Die Entdeckung geschah darüber hinaus nicht infolge von archäologischen Ausgrabungen, sondern im Zuge von Umbauarbeiten. Der Bezirksarchäologe Amit Re‘em von der Israelischen Behörde für Altertümer und der Historiker Ilya Berkovich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) entdeckten den Marmoraltar demnach hinter einer mehrere Tonnen schweren Steinplatte, auf deren Vorderseite sich Touristen mit Graffitis verewigt hatten. Für Historiker sei der Fund eine Sensation, teilte die ÖAW am Montag mit.

"Völlig unerwartet"

Für Historiker stellt diese Entdeckung gleich in mehrerlei Hinsicht eine veritable Sensation dar. Zunächst schon aufgrund des Umstandes, dass die Platte in einem so intensiv erforschten Bauwerk wie der Grabeskirche überhaupt so lange verborgen bleiben konnte - täglich gingen tausende Pilger und Touristen daran vorbei. "Dass ausgerechnet an dieser Stelle etwas so Bedeutendes so lange unerkannt herumliegen konnte, kam für alle Beteiligten völlig unerwartet", erklärt Berkovich auf der Website des ÖAW. Nicht minder bedeutend sei, welche neuen Erkenntnisse der Fund über den mittelalterlichen Hochaltar erlaubt. Denn die außergewöhnlichen Verzierungen führten die Forschenden auf die Fährte des sogenannten Kosmatesk, eine spezielle Fertigungstechnik von Marmordekorationen. Nur wenige solche Kosmatesk-Kunstwerke seien außerhalb Roms bekannt, und bisher überhaupt nur eines außerhalb von Italien, in Westminster Abbey.

Die mit Schleifenornamenten verzierte Rückseite der Graffiti-Platte sei schnell als die einstmals prachtvolle Frontseite des mittelalterlichen Kreuzritter-Altars identifiziert worden. Der wiederentdeckte Hochaltar ist somit der Beweis einer bisher unbekannten Verbindung zwischen Rom und Jerusalem, die auch für die europäische Kunstgeschichte wichtig ist.

Altar galt als verschollen

Der 15. Juli 1149 war ein geschichtsträchtiger Tag für Jerusalem: Genau 50 Jahre zuvor hatten europäische Kreuzritter die Heilige Stadt erobert und nach Jahrhunderten der muslimischen Herrschaft das Königreich Jerusalem ausgerufen. Ein glanzvolles Jubiläum sollte das noch junge Königreich festigen. Der Höhepunkt war die erneute Weihe der Grabeskirche als eines der größten Heiligtümer der Christenheit. Zu diesem Zweck erblickte ein besonderes Kunstwerk das Licht der Welt: Der neu geschaffene Hochaltar.

Im Jahr 1808 kam es allerdings zu einem großen Feuer im romanischen Teil der Grabeskirche, seitdem galt der Kreuzritter-Altar als verschollen - bis jetzt.

Keine Kommentare