Kausalkette des Irrsinns
Warum Klimawandel-Leugner ihre Liebe zu CO2 entdeckt haben
24.1.2025, 05:00 UhrWer sich mit der Szene der Klimawandel-Leugner beschäftigt, merkt schnell, dass kein, aber auch wirklich kein "Argument" zu abstrus ist, um nicht als vermeintlicher Beleg dafür herhalten zu müssen, dass es den (durch Jahrzehnte exzessiven CO2-Ausstoßes) menschengemachten Klimawandel gar nicht gibt. Oder dass es ihn zwar doch gibt, der Mensch aber nicht dafür verantwortlich ist. Oder dass es ihn gibt und eigentlich alles daran absolut großartig ist.
Besonders die Anhänger der letztgenannten Sichtweise führen gerne folgendes "Argument" an: Mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre ist das Beste, was unserem Planeten passieren kann - schließlich brauchen die Pflanzen das eigentlich giftige Gas für ihre Photosynthese.
Wer also den CO2-Ausstoß reduzieren will, riskiert eine vermeintlich tödliche Kettenreaktion, die letztlich die ganze Menschheit auslöschen würde. Denn wenn der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sinkt, sterben die Pflanzen unseres Planeten, was wiederum dazu führt, dass irgendwann nicht mehr genug Sauerstoff produziert wird, was wiederum dazu führt, dass wir alle ersticken. Eine Kausalkette des Irrsinns, die die Verschwörungsgläubigen vollkommen ernst meinen. Aber wie kommt man überhaupt auf so etwas?
Tatsächlich ist CO2 für das Wachstum von Pflanzen unverzichtbar, denn es ist ein wichtiger Bestandteil der Photosynthese, bei der Pflanzen Kohlendioxid aufnehmen und in Sauerstoff sowie Zucker umwandeln - und mehr CO2 kann durchaus dazu führen, dass Pflanzen schneller wachsen. "CO2-Düngungseffekt" nennt man dieses Phänomen. In kontrollierten Umgebungen wie Gewächshäusern, wo Pflanzen unter optimalen Bedingungen wachsen, funktioniert das durchaus. Ganz anders sieht die Sache allerdings in der freien Natur aus, denn dort spielen viele weitere Faktoren wie Temperatur, Wassermenge und die Qualität des Bodens eine Rolle. Wenn all das nicht perfekt ist (und das ist es in der Natur eigentlich nie), sind die Pflanzen gar nicht in der Lage, sich den vermeintlichen Vorteil von mehr CO2 in der Luft zu Nutze zu machen.
Und das ist nicht das einzige Problem an der Theorie: Die unterkomplexe Verkürzung "je mehr Kohlendioxid, desto glücklicher die Pflanzen" lässt auch die vielen negativen Auswirkungen des steigenden CO2-Gehalts einfach unter den Tisch fallen. Hitzewellen, Dürren, Extremwetter - all diese Symptome des Klimawandels haben massive negative Auswirkungen auf die Ökosysteme der Erde und behindern das Pflanzenwachstum massiv, statt es zu fördern.
Diese selektive Denkweise folgt allerdings einem bekannten Muster: Anhänger von Verschwörungsmythen picken sich generell gerne wissenschaftliche Studien heraus, die ihre Weltsicht bestätigen, ignorieren dabei aber den Gesamtzusammenhang, was zu einem teils grotesk verzerrten Bild der Realität führt. Dennoch werden solche Ansichten häufig gezielt von bestimmten politischen Akteuren und Interessengruppen verbreitet, die ein Interesse daran haben, Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern oder zu verhindern. Vor allem Lobbygruppen aus der fossilen Energieindustrie spielen dabei eine entscheidende Rolle, da sie wirtschaftliche Verluste fürchten, wenn die Welt ihren Verbrauch von Öl und Gas mehr und mehr reduziert.
Diese Gruppierungen finanzieren teilweise auch sogenannte "Denkfabriken" oder "Think Tanks", die pseudowissenschaftliche Berichte und Studien herausgeben, um Zweifel an der Klimawissenschaft zu säen. Ihre Botschaft verbreiten sie mithilfe von Medienplattformen, sozialen Netzwerken und gezielten PR-Kampagnen, wobei sie auf einfache, griffige Argumente setzen, die leicht zu verstehen sind, selbst wenn sie wissenschaftlich nicht haltbar sind. Wie eben beispielsweise: "CO2 ist super, denn die Pflanzen ernähren sich davon".
Besonders problematisch: Obwohl solche Aussagen aus wissenschaftlicher Sicht absolut nicht haltbar sind, greifen manche Medien, besonders solche mit einer konservativen oder wirtschaftsnahen Ausrichtung, die "Argumente" der Klimawandel-Leugner immer wieder auf und verbreiten sie weiter - beispielsweise dadurch, dass wissenschaftliche Fakten und Meinungen von Experten auf die gleiche Ebene gestellt werden wie unbelegte Behauptungen von "Klimaskeptikern". Dieses sogenannte "False Balance"-Phänomen führt dazu, dass die öffentliche Wahrnehmung der Wissenschaft verzerrt wird, weil der Eindruck entsteht, dass bezüglich des menschengemachten Klimawandels kein wirklicher Konsens besteht. Dabei besteht der durchaus: Rund 99 Prozent aller aktiven Klimawissenschaftler sind sich dahingehend einig - der Anteil der Leugner ist also verschwindend gering.
Oh, apropos "verschwindend geringer Anteil": Klimawandel-Leugner behaupten auch gerne, dass CO2 doch eigentlich gar nicht so schlimm sein könne, weil sein Anteil an unserer Atmosphäre so gering ist (derzeit liegt er bei etwa 0,042 Prozent). Wer so argumentiert, kann ebenso behaupten, dass Botulinumtoxin, eigentlich das tödlichste Gift der Welt, nur halb so wild ist. Die letale Dosis liegt zwar bei 0,01 Milligramm (oral eingenommen) bzw. 3 Nanogramm (intravenös) - aber in Relation zum Körpergewicht eines durchschnittlichen Menschen ist das ja quasi nichts. Was soll da also schon passieren?