Psychologie des Durchhaltens

Warum scheitern unsere guten Vorsätze so oft?

28.01.2025, 04:02 Uhr
Viele nehmen sich zu viel vor. Fitnessstudios leeren sich zur Mitte des Jahres meist wieder.

© Jonas Walzberg/dpa/dpa-tmn Viele nehmen sich zu viel vor. Fitnessstudios leeren sich zur Mitte des Jahres meist wieder.

"Mehr Sport treiben" - das ist ein Klassiker unter den guten Vorsätzen fürs neue Jahr. Fitnessstudios spüren das deutlich. Der Jahresanfang sei extrem wichtig für die Branche, sagt Alexander Wulf, Sprecher des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV): "Wir gehen davon aus, dass viele Studios in den ersten sechs Wochen etwa ein Drittel ihrer Neumitglieder gewinnen". Doch eine dauerhafte Bindung gelingt oft nicht. 

Aus motivierten Sportlern werden Karteileichen 

Schon nach wenigen Monaten wird aus so manch höchst motiviertem Hobbysportler eine Karteileiche. Die Fitnessstudios leeren sich wieder. Bikinifigur und Sixpack - sie bleiben oft weiterhin nur ein Traum. "Das Trainingsverhalten bleibt meist bis März, April oder bis in den Mai relativ konstant. Bei besserem Wetter ist oft ein Trainingsrückgang in den Studios zu verzeichnen", so Wulff. Im Herbst nehme die Trainingshäufigkeit wieder zu. Das sei aber ganz individuell und regional unterschiedlich. 

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Online-Portals Kleinanzeigen zu guten Vorsätzen zeigt: Für den Großteil der Befragten, die sich im alten Jahr etwas vorgenommen haben, ist bereits im Januar wieder Schluss damit. In der Summe scheitern demnach mehr als die Hälfte aller Vorhaben schon im Januar (60 Prozent). 

2023 hatten die Fitness- und Gesundheits-Anlagen in Deutschland rund 11,3 Millionen Mitglieder. Eine dauerhafte Bindung scheint aber schwierig zu sein: Die Fluktuation ist laut einer Erhebung des Verbands spürbar: Im Jahr 2023 kündigten rund 25 Prozent der Mitglieder ihren Vertrag. Laut den Autoren flossen Daten von rund 2.800 der etwa 9.100 kommerziellen Fitnessstudios in Deutschland in die Erhebung ein. Zahlen für 2024 werden im März erwartet. 

Ehrgeizige Ziele oft schon nach wenigen Wochen passé 

Doch woran liegt es, dass der anfängliche Ehrgeiz oft schon nach wenigen Wochen oder Monaten im Sande verläuft? "Oft kommen die Vorsätze nicht wirklich von Innen heraus, sondern werden eher von außen vorgegeben. Vielleicht hat der Arzt gesagt, man müsse sich mehr bewegen, oder auch die Partnerin", sagt der Sportpsychologe Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochschule Köln. Wenn es nicht der eigene innerste Wunsch sei, mehr Sport zu machen, mache man es oft einfach nicht und schiebe es nur vor sich her. 

Selbst wenn man hinter dem Vorsatz stehe und die Notwendigkeit einsehe, diesen auch umzusetzen, sei ein weiterer Faktor wichtig: Spaß. "Dinge, die keine Freude machen, die setze ich häufig auch nicht um. Es klingt banal, aber wenn etwas keinen Spaß macht, dann ist es schwer, da braucht man viel Disziplin und Willenskraft", so Kleinert. Dieser Wille müsse erst aktiviert werden. Das sei mit verschiedenen Techniken möglich, zum Beispiel durch Selbstgespräche oder durch positive Gedanken hinsichtlich der Auswirkungen. 

Wenn ich mir Dinge vornehme, die eigentlich keinen Spaß machen, dann muss ich sie noch disziplinierter planen und in meinen Alltag integrieren oder auch andere Menschen einbinden und es gemeinsam machen. "Vorsätze scheitern auch oft, weil man damit allein ist", ergänzt der Experte. 

Psychologin: Fünf Kilo abnehmen - ein zu unkonkretes Ziel 

Auch die Psychologin Sonia Lippke von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg beschäftigt sich mit der Frage, warum Menschen an ihren Vorsätzen scheitern. "Das ist ein ganz übliches Problem. Oft nehmen sich Menschen Ziele vor, haben aber zu wenige und unkonkrete Vorstellungen davon, wie sie diese umsetzen können." Ein Ziel sollte laut Lippke möglichst sehr genau formuliert sein: "Fünf Kilo abnehmen zu wollen, das ist zu unkonkret. Viel besser ist es, sich vorzunehmen, dreimal pro Woche 30 Minuten lang so intensiv Sport zu treiben, dass man ins Schwitzen kommt." Lippke empfiehlt auch, diese Termine fest einzuplanen und sich auch zu überlegen, was passiert, wenn etwas dazwischenkommt. 

Aus Sicht des DSSV-Sprechers Alexander Wulff hängt die Messlatte bei den Erwartungen oft viel zu hoch: "Viele erwarten oft zu schnell zu viel - und wenn der erwartete Erfolg ausbleibt, ist das der häufigste Grund, warum bei vielen die Motivation nachlässt. Ein kompletter Wandel ist nicht in vier Wochen, möglich, man muss über Monate, Jahre oder einfach dauerhaft trainieren." 

In der YouGov-Umfrage war ein Mangel an Disziplin und Motivation der Hauptgrund für das Scheitern von Neujahrsvorsätzen. Ein Drittel der Befragten gab an, dass es bei ihnen daran hapern würde. Knapp ein Viertel (24 Prozent) sieht sinkendes Interesse oder andere Prioritäten als Hindernis. 21 Prozent gaben fehlende Zeit und 15 Prozent zu ambitionierte Ziele als möglichen Grund an.

"Man muss sein eigener Freund sein"

Wenn das Training mal in einer Woche nicht klappe, solle man sich nicht selbst fertig machen, betont Kleinert auch. "Diese Selbstbeschuldigung, also dass Menschen sich selbst abwerten, kommt wirklich oft vor. Man muss mit den eigenen Fehlern, den eigenen Misserfolgen behutsam umgehen, wie es ein Freund auch tun würde. Man muss sein eigener Freund sein." 

Trotz der Schwierigkeiten, die viele Menschen mit den guten Vorsätzen haben, hält Jens Kleinert sie für sinnvoll und überaus menschlich. "Es ist eine schöne Sache, wenn man etwas ändern will und neue Ziele fasst. Der Versuch, Ziele zu erreichen, ist das, was Menschen auch sehr zufrieden macht. Das Annähern an Ziele macht glücklicher als das eigentliche Erreichen von Zielen", so der Experte. 

Der Jahresanfang sei ein klassischer Zeitpunkt, über sein Leben nachzudenken und sich neue Vorsätze zu stecken. "Man sollte aber möglichst häufiger über das eigene Leben reflektieren als nur einmal im Jahr, zum Beispiel zu Festen wie Ostern oder Geburtstag", sagt Kleinert. Wichtig sei dabei, dass man dies mit einer gewissen Gelassenheit und ohne Zwanghaftigkeit tue.

Der gute Vorsatz, mehr Sport zu treiben, hält oft nicht lange.

Der gute Vorsatz, mehr Sport zu treiben, hält oft nicht lange. © Oliver Berg/dpa