Baby-Boom
Wegen Fett-weg-Spritze? Hunderte Frauen berichten von ungeplanten Schwangerschaften
15.4.2024, 12:01 UhrEigentlich war das Medikament namens Ozempic des dänischen Herstellers "Novo Nordisk" für Diabetes-Patienten auf den Markt gekommen. Der enthaltene Wirkstoff Semaglutid verringert über die Steuerung des Verdauungszyklus den Appetit und soll so Übergewicht behandeln. In Deutschland ist die Fett-weg-Spritze seit Juni 2023 auf dem Markt - unter anderem unter dem Namen "Wegovy".
Seit der Zulassung hat sich nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande ein Hype um das Medikament entwickelt. Es wird nach dem Vorbild von Promis und Influencern zweckentfremdet und zum Abnehmen verwendet. Der Ansturm um das Medikament hat sogar zu Engpässen in Nürnberger Apotheken geführt. Fälle aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien lassen nun auf eine weitere Begleiterscheinung schließen: Das Präparat lässt offenbar nicht nur die Kilos purzeln, sondern sorgt auch für massenhaft überraschende bis ungewollte Schwangerschaften.
Zahllose Semaglutid-Nutzerinnen berichten in sozialen Medien wie TikTok, Facebook oder Reddit davon, dass sie unter Anwendung des Mittels schwanger wurden - trotz Einnahme der Antibabypille oder nach oft jahrelangen Versuchen. Amerikanische und britische Medien haben für das Phänomen den Titel "Ozempic-Babys" geprägt. Doch es gibt auch logische Erklärungen für die bislang unerkannte Nebenwirkung.
Phänomen "Ozempic-Babys"
So sei in der Medizin seit Jahrzehnten bekannt, dass Übergewicht und damit einhergehende Stoffwechselstörungen zu einer verminderten Fruchtbarkeit führen, wie "USA Today" schreibt. Fett habe hormonelle Wirkung und könne sich auf Menstruation und Eisprung auswirken - und folglich auf die Fortpflanzungsfähigkeit. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Wird Fett abgebaut, kann sich die Fruchtbarkeit erhöhen.
Daher sei es nicht überraschend, dass Medikamente zur Gewichtsreduktion vielen Frauen helfen können, schwanger zu werden, erklärte Utsavi Shah, Assistenzprofessorin für Gynäkologie und Adipositasmedizin in Houston gegenüber dem US-Portal. Auch einige Gynäkologen und Diabetologen bestätigen die Beobachtungen in ihren Praxen. Die Facebook-Gruppe "I got Pregnant on Ozempic" (zu Deutsch: "Ich wurde auf Ozempic schwanger") zählt aktuell über 550 Mitglieder.
Zudem kann eine Wechselwirkung mit der Antibabypille derzeit nicht ausgeschlossen werden. Der Wirkstoff sorgt für eine langsamere Entleerung des Magens und kann so die Aufnahme und Wirkung oraler Präparate beeinflussen. So könnte der verhütende Effekt der Pille herabgesetzt werden. Experten raten Frauen daher zu einer zusätzlichen Verwendung von Kondomen.
Warnung bei Kinderwunsch und Schwangerschaft
Wie die "Washington Post" berichtet, reagierte der Ozempic-Hersteller mit einer Stellungnahme: "Schwangerschaft oder die Absicht, schwanger zu werden, waren Ausschlusskriterien in unseren Studien mit Semaglutid sowohl bei Fettleibigkeit als auch bei Typ-2-Diabetes". Die Einnahme des Medikaments könnte ein Risiko für den Fötus darstellen. Das Unternehmen sammelt auf seiner Website Daten von betroffenen Frauen.
"Die Einnahme während der Schwangerschaft könnte gefährliche Folgen haben, da die Medikamente im Körper verbleiben können", warnt Dr. Allison Rodgers, Gynäkologin und reproduktive Endokrinologin, in Illinois. Frauen sollten auf keinen Fall Medikamente zur Gewichtsreduktion einnehmen, um schwanger zu werden. Studien an Ratten, Kaninchen und Affen hätten gezeigt, dass die Medikamente bei Einnahme während der Schwangerschaft zu Fehlgeburten und Geburtsfehlern führen können. Arzneimittelhersteller empfehlen Frauen mit Kinderwunsch zudem, die Einnahme von Medikamenten zur Gewichtsabnahme mindestens zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft zu beenden.
Auch wissenswert: Das Diabetes-Präparat ruft nicht selten unangenehme Nebenwirkungen hervor, darunter Durchfall, Erbrechen und Übelkeit. Zudem gilt: Wer einmal zur Spritze greift, muss das ein Leben lang tun. Einfach absetzen lässt sich Ozempic nicht, zumindest nicht ohne Folgen - die verlorenen Kilos kehren dann nämlich wieder zurück.
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