Gibt es jetzt Entwarnung?
Weltweites Computer-Chaos lähmt Flughäfen und Unternehmen in Bayern: Verursacher-Firma äußert sich
19.7.2024, 15:59 UhrComputerprobleme führen weltweit zu weitreichenden Störungen. In Deutschland mussten unter anderem die Flughäfen Berlin und Hamburg zu Ferienbeginn zeitweise den Betrieb einstellen. Auch in anderen Ländern wurde laut Medienberichten neben dem Luftverkehr auch der Betrieb von Banken und Krankenhäusern gestört. Der Fernsehsender Sky News sendete vorübergehend kein Programm und zeigte ein Standbild.
Die IT-Firma, die die Probleme ausgelöst haben dürfte, gibt nun erste Entwarnung.
Sicherheitskreise in Deutschland: Wohl kein Cyberangriff
Aus Sicherheitskreisen in Deutschland hieß es, man gehe von einer technischen Störung infolge eines fehlerhaften Software-Updates aus. Hinweise auf einen Cyberangriff gebe es bislang nicht. Medienberichten zufolge wurde als Auslöser ein Fehler in einem Programm-Update der IT-Sicherheitsfirma Crowdstrike vermutet. Unter anderem führte ein Energieunternehmen in Australien die Probleme darauf zurück. Crowdstrike sprach in einer Mitteilung an die Kunden von Problemen, wie die Technologie-Website "The Verge" schrieb.
Der Fehler bei Crowdstrike habe wiederum Software von Microsoft gestört, berichteten Medien wie der Finanzdienst Bloomberg. Der Software-Riese meldete zuvor Probleme mit seinem Cloud-Service 365. "Wir arbeiten daran, den betroffenen Datenverkehr auf alternative Systeme umzuleiten, um die Auswirkungen schneller zu mildern", teilte der Software-Riese Microsoftauf X, vormals Twitter, mit.
Crowdstrike-Chef: Problem erkannt und behoben
Die IT-Sicherheitsfirma Crowdstrike hat den Fehler laut "dpa" inzwischen behoben, der mutmaßlich zu weltweiten Computerstörungen geführt hat. Kunden würden nun auf ein Download-Portal für ein neues Update verwiesen, schrieb Firmenchef George Kurtz bei der Online-Plattform X.
Der Fehler habe in einer Aktualisierung der Crowdstrike-Software für Windows-Computer gesteckt, schrieb Kurtz. Das Problem sei erkannt und behoben worden. Es seien keine Cyberattacke und auch kein Sicherheitsvorfall gewesen.
Am Morgen war unter anderem der Luftverkehr von den Computerproblemen besonders schwer betroffen. So musste der Flughafen in Berlin zeitweise den Betrieb einstellen. In Hamburg war der Flugverkehr durch Probleme betroffener Airlines schwer beeinträchtigt.
Ryanair, Eurowings und Co: Zahlreiche Airlines von Störung betroffen
In den USA stoppte die Luftfahrtaufsicht FAA Flüge von Airlines wie United, American und Delta. Der europäische Billigflieger Ryanair sprach ebenfalls von Problemen. "Wir raten allen Passagieren, mindestens drei Stunden vor der geplanten Abflugzeit am Flughafen anzukommen", so Ryanair. Wer heute reise und noch nicht eingecheckt habe, könne das am Flughafen tun. Die niederländische Fluggesellschaft KLM stellte den Großteil des Betriebs ein.
Auch die Fluggesellschaft Eurowings ist aktuell von einer IT-Störung betroffen. Aufgrund der Beeinträchtigungen sei im Tagesverlauf mit Verspätungen und Flugstreichungen zu rechnen, sagte eine Unternehmenssprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit seien die Check-In- und Boarding-Prozesse bei Eurowings beeinträchtigt. Ein Online-Check-In sei derzeit nicht möglich.
Die weltweite Computerstörung wirkt sich auch auf den Reisekonzern Tui und die Flugtochter Tuifly aus. Bisher gebe es aber keine Flugausfälle, sagte ein Sprecher der dpa. Zu konkreten Auswirkungen lasse sich noch nichts sagen.
Auch Flughafen Nürnberg teils beeinträchtigt
Die international gestörten Computersysteme führen auch zu Problemen an Flughafen in Bayern. Es handele sich um Softwareprobleme in den Abfertigungsprogrammen der Fluggesellschaften, sagte ein Sprecher des Flughafens Nürnberg. Bis zum frühen Vormittag hatte es in Nürnberg jedoch kaum Verspätungen gegeben. Die Probleme könnten aber dazu führen, dass der Flugplan im Laufe des Tages durcheinander gerate und Passagiere mit längeren Abfertigungszeiten rechnen müssten.
"Aufgrund weltweiter IT-Störungen kommt es bei einigen Fluggesellschaften zu Beeinträchtigungen der Check-in-Programme", betont der Dürer-Airport, der dafür extra eine Sonderseite auf seiner Website eingerichtet hat. "Momentan läuft alles nach Flugplan", auch die Starts und Landungen seien bislang pünktlich, es könne aber zu Verzögerungen bei der Flugabfertigung kommen. "Wir können aktuell nicht in die Zukunft schauen", erklärt Christian Albrecht, Sprecher des Nürnberger Flughafens. Da die Airline KLM teils den Betrieb eingestellt hat, könnte dies auch Landungen am Airport treffen. Die Passagiere werden deshalb gebeten, den Status ihres Fluges regelmäßig zu überprüfen.
Auch am Flughafen in Memmingen mussten Fluggäste wegen IT-Problemen Geduld aufbringen. Das System zur Passagierabfertigung sei gestört, sagte eine Flughafensprecherin. Der Check-in müsse deshalb manuell erfolgen. "Das funktioniert, aber es dauert leider", sagte die Sprecherin. Fluggästen werde geraten, wegen der Verzögerungen früher als zwei Stunden vor Abflug am Flughafen zu sein. Wegen der Probleme sei mit Verspätungen im Flugverkehr zu rechnen.
Besonders betroffen hatte es aber den Hauptstadtflughafen BER. Am Vormittag läuft der Flugbetrieb dort allmählich wieder an. "Die Systeme des Flughafens sind wieder hochgefahren und wir kehren sukzessive zum Normalbetrieb zurück", teilte eine Sprecherin mit. "Es kommt weiterhin zu Wartezeiten." Einzelne Flüge seien von den Fluggesellschaften gestrichen worden.
Kliniken sagen geplante Operationen ab
Die Störung hat auch Auswirkungen auf zahlreiche Kliniken in Deutschland. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein etwa sagte heute alle geplanten Operationen an ihren Standorten in Kiel und Lübeck ab. Das teilte die Klinik auf ihrer Internetseite mit. Auch die Ambulanzen blieben geschlossen. "Die Versorgung der Patientinnen und Patienten im UKSH ist gesichert, ebenso die Notfallversorgung." In der Blutbank in Nürnberg "CSL Plasma" konnten beispielsweise am Freitagvormittag auch keine Spenden vorgenommen werden. Am Klinikum Nürnberg sei man am Freitagvormittag nicht von den Störungen betroffen. Alles laufe einstweilen geregelt, wie eine Sprecherin mitteilte.
Auch Unternehmen aus der Region teils betroffen
Auch Technologieunternehmen wie Siemens sind wie andere Microsoft-Kunden von der Störung betroffen. Wie ein Konzernsprecher gegenüber unserer Redaktion erklärt, gibt es für solche Fälle Notfallpläne, die bereits in Kraft getreten sind. Die ersten betroffenen Systeme laufen bereits wieder.
Für die fränkischen Schaeffler-Standorte in Gunzenhausen und Hirschaid kann Steffen Nieländer, der Sprecher des Sektors "Automotive Technologies", grünes Licht geben. Auch in den anderen Schaeffler-Werken wie in Herzogenaurach sei man bislang nicht direkt von der IT-Störung betroffen. "Wir beobachten die aktuelle Situation sehr genau und sind mit unseren IT-Dienstleistern in engem Kontakt", erklärt Sprecher Daniel Pokorny.
Auch der regionale Versorger N-Ergie bekomme von den Störungen bislang nichts mit.
"Datev ist von den aktuell weltweiten Störungen im Microsoft-Umfeld nicht betroffen", teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Das gelte sowohl für die Datev-Lösungen, die bei den Kunden im Einsatz sind, als auch für die betriebsintern genutzten Lösungen von Microsoft. "Das ist der aktuelle Stand, natürlich beobachten wir die Entwicklung weiterhin sehr genau", heißt es weiter.
Deutsche Bahn nicht betroffen
Von den weltweiten Computerproblemen ist die Deutsche Bahn aktuell nicht betroffen. Alle Systeme liefen reibungslos, der Zugverkehr sei in keiner Weise beeinträchtigt, sagte eine Bahnsprecherin auf Anfrage.
Wie groß ist der finanzielle Schaden durch die Ausfälle?
Das dürfte sich erst nach Wochen oder Monaten abschätzen lassen. Denn neben den sofortigen Kosten könnten auch spätere Nachforderungen durch betroffene Kunden noch eine Rolle spielen. Die Aktie von Crowdstrike bekam die Probleme im vorbörslichen Handel mit einem Minus von zeitweise mehr als 20 Prozent zu spüren.
Mit der Konzentration in der Software-Industrie passiert es immer wieder, dass zahlreiche Unternehmen von Problemen bei einzelnen Anbietern getroffen werden. So war zum Beispiel eine Cyberattacke auf den amerikanischen IT-Dienstleister Kaseya im Jahr 2021 bis nach Schweden zu spüren, wo die Supermarkt-Kette Coop fast alle Läden schließen musste.
Wie groß ist der finanzielle Schaden durch die Ausfälle?
Das dürfte sich erst nach Wochen oder Monaten abschätzen lassen. Denn neben den sofortigen Kosten könnten auch spätere Nachforderungen durch betroffene Kunden noch eine Rolle spielen. Die Aktie von Crowdstrike bekam die Probleme im vorbörslichen Handel mit einem Minus von zeitweise mehr als 20 Prozent zu spüren.
Wie kann es dazu kommen, dass Probleme bei einem Anbieter auf so breiter Front zu spüren sein können?
Ein Grund ist die Konzentration in der Tech-Industrie. Ein Service-Anbieter bedient oft tausende Unternehmen. Probleme bei ihm schlagen dann auf breiter Front durch. So haben in der Vergangenheit Fehler von IT-Sicherheitsfirmen schon Dutzende Websites auf einmal lahmgelegt.
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