Wie das Wetter Kult wurde: Die Vorhersage im Wandel der Zeit

10.3.2020, 08:48 Uhr
Lange Zeit präsentiert das Fernsehen seine Wettervorhersagen mit Karten von Deutschland in den Grenzen von 1937. Kritik der polnischen Regierung, dass Städte wie Breslau und Stettin längst nicht mehr zu Deutschland gehörten, werden beharrlich ignoriert. Erst die neue Ostpolitik Willy Brandts und die damit verbundene öffentliche Debatte führen zu einem Umdenken. Als der Grenzverlauf aktualisiert beziehungsweise bevorzugt auf Europakarten zurückgegriffen wird, sind aber auch nicht alle zufrieden. Die Vertriebenenverbände wittern jetzt Verrat am gesamtdeutschen Gedanken.
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Lange Zeit präsentiert das Fernsehen seine Wettervorhersagen mit Karten von Deutschland in den Grenzen von 1937. Kritik der polnischen Regierung, dass Städte wie Breslau und Stettin längst nicht mehr zu Deutschland gehörten, werden beharrlich ignoriert. Erst die neue Ostpolitik Willy Brandts und die damit verbundene öffentliche Debatte führen zu einem Umdenken. Als der Grenzverlauf aktualisiert beziehungsweise bevorzugt auf Europakarten zurückgegriffen wird, sind aber auch nicht alle zufrieden. Die Vertriebenenverbände wittern jetzt Verrat am gesamtdeutschen Gedanken. © Foto: HR

Die Anfänge erinnern an Grundschulunterricht: 1951 präsentiert der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) seinen wenigen TV-Zuschauern erstmals eine Wetterkarte. Die Sendung kommt aus dem Dachgeschoss eines Hamburger Hochbunkers. Die meteorologischen Informationen liefert das örtliche Seewetteramt, und im Studio steht Dr. Heinrich Kruhl vor einer Schiefertafel, auf die ein Pappkarton mit den Umrissen Europas geklebt war. Er erklärt das Wetter des nächsten Tages und schreibt bei laufender Kamera eigenhändig die wichtigsten Daten auf die Karte.
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Die Anfänge erinnern an Grundschulunterricht: 1951 präsentiert der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) seinen wenigen TV-Zuschauern erstmals eine Wetterkarte. Die Sendung kommt aus dem Dachgeschoss eines Hamburger Hochbunkers. Die meteorologischen Informationen liefert das örtliche Seewetteramt, und im Studio steht Dr. Heinrich Kruhl vor einer Schiefertafel, auf die ein Pappkarton mit den Umrissen Europas geklebt war. Er erklärt das Wetter des nächsten Tages und schreibt bei laufender Kamera eigenhändig die wichtigsten Daten auf die Karte. © NDR

Und weil die Fernsehmacher bei aller gebotenen Sachlichkeit damals schon wissen, dass ein visuelles Medium stets etwas fürs Auge bieten muss, stehen für den Fall sich ankündigenden Regens und Sturms die liebevoll gebastelten Puppen "Sehbienchen" und "Sehbastian" auf einem kleinen Beistelltischchen zum Einsatz bereit.
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Und weil die Fernsehmacher bei aller gebotenen Sachlichkeit damals schon wissen, dass ein visuelles Medium stets etwas fürs Auge bieten muss, stehen für den Fall sich ankündigenden Regens und Sturms die liebevoll gebastelten Puppen "Sehbienchen" und "Sehbastian" auf einem kleinen Beistelltischchen zum Einsatz bereit. © NDR

Ab 1. März 1960 spricht das deutsche Wetter hessisch. Die Vorhersagen für die ARD werden nun vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach verfasst und per Boten nach Frankfurt zum Hessischen Rundfunk gebracht. Grafikerinnen wie Elfriede Zechner (Foto) fertigen Vorlagen an, die in Trickfilm-Manier abfotografiert und in der Sendung als Wetterfilm abgespielt werden.
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Ab 1. März 1960 spricht das deutsche Wetter hessisch. Die Vorhersagen für die ARD werden nun vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach verfasst und per Boten nach Frankfurt zum Hessischen Rundfunk gebracht. Grafikerinnen wie Elfriede Zechner (Foto) fertigen Vorlagen an, die in Trickfilm-Manier abfotografiert und in der Sendung als Wetterfilm abgespielt werden. © HR/Kurt Bethke

Dazu wird der DWD-Text verlesen, der in schönstem Meteorologen-Deutsch nicht einfach von Westen kommenden Regen, sondern "atlantische Störungsausläufer mit strichweisen Niederschlägen" ankündigt.
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Dazu wird der DWD-Text verlesen, der in schönstem Meteorologen-Deutsch nicht einfach von Westen kommenden Regen, sondern "atlantische Störungsausläufer mit strichweisen Niederschlägen" ankündigt. © HR/Kurt Bethke

Seit dem 29. März 1970 können die Zuschauer zu Hause den TV-Wetterbericht in Farbe sehen. Drei Jahre nach dem Start des Farbfernsehens, das zunächst nur auf wenige Sendungen pro Tag beschränkt blieb, werden jetzt auch die Nachrichtenblöcke bunt. Die Windrose, die am Ende jeder Wetterkartenausgabe anzeigt, woher am nächsten Tag die Lüfte wehen, erscheint fortan in zartem Grün und leuchtendem Rot. Unterlegt wird dieses Schlussbild aber auch weiterhin vom Morsepiepen "lang-lang-kurz-lang/kurz-lang/lang-lang", was QAM bedeutet und im Q-Schlüssel der Funker wiederum für "Wetterbericht" steht.
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Seit dem 29. März 1970 können die Zuschauer zu Hause den TV-Wetterbericht in Farbe sehen. Drei Jahre nach dem Start des Farbfernsehens, das zunächst nur auf wenige Sendungen pro Tag beschränkt blieb, werden jetzt auch die Nachrichtenblöcke bunt. Die Windrose, die am Ende jeder Wetterkartenausgabe anzeigt, woher am nächsten Tag die Lüfte wehen, erscheint fortan in zartem Grün und leuchtendem Rot. Unterlegt wird dieses Schlussbild aber auch weiterhin vom Morsepiepen "lang-lang-kurz-lang/kurz-lang/lang-lang", was QAM bedeutet und im Q-Schlüssel der Funker wiederum für "Wetterbericht" steht. © HR

In den 1980er-Jahren gewinnt die Wetterkarte an bereits an Farbe und Design.
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In den 1980er-Jahren gewinnt die Wetterkarte an bereits an Farbe und Design. © HR

Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 gibt es keine Zweifel mehr, dass Dresden und Rostock aus gutem Grund auf der Deutschland-Wetterkarte der ARD aufscheinen. Die Auswahl der übrigen acht Städte war allerdings in der Vergangenheit auch mehrfach Stoff heftiger Kontroversen. Warum Köln, aber nicht die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf? Warum Kiel, aber nicht Mainz? Im Übrigen wäre da auch noch ausreichend Platz für Nürnberg...
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Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 gibt es keine Zweifel mehr, dass Dresden und Rostock aus gutem Grund auf der Deutschland-Wetterkarte der ARD aufscheinen. Die Auswahl der übrigen acht Städte war allerdings in der Vergangenheit auch mehrfach Stoff heftiger Kontroversen. Warum Köln, aber nicht die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf? Warum Kiel, aber nicht Mainz? Im Übrigen wäre da auch noch ausreichend Platz für Nürnberg... © HR

Ende 1994 macht die Wettervorhersage in der ARD eine steile Karriere. Sie ist nicht mehr nur Anhängsel am Ende der Tagesschau, sondern wandert in einem Fünf-Minuten-Format als "Wetter vor acht" vor die Nachrichtensendung und in die am späten Abend erscheinenden Tagesthemen. Es ist eine Wetter-Show, die von Moderatoren präsentiert wird, deren Namen man sich als Zuschauer irgendwann merkt. Weiblicher Wetter-Star ist seit Jahren Claudia Kleinert. Die ausgefeilte Hand-Choreografie und extravagante Garderobe der studierten Betriebswirtin ziehen einen gelegentlich so in Bann, dass man am Ende ratlos vor der Frage steht: Wie wird jetzt das Wetter?
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Ende 1994 macht die Wettervorhersage in der ARD eine steile Karriere. Sie ist nicht mehr nur Anhängsel am Ende der Tagesschau, sondern wandert in einem Fünf-Minuten-Format als "Wetter vor acht" vor die Nachrichtensendung und in die am späten Abend erscheinenden Tagesthemen. Es ist eine Wetter-Show, die von Moderatoren präsentiert wird, deren Namen man sich als Zuschauer irgendwann merkt. Weiblicher Wetter-Star ist seit Jahren Claudia Kleinert. Die ausgefeilte Hand-Choreografie und extravagante Garderobe der studierten Betriebswirtin ziehen einen gelegentlich so in Bann, dass man am Ende ratlos vor der Frage steht: Wie wird jetzt das Wetter? © WDR_George_Bockemühl

Auch wenn es mit Thomas Gottschalks TV-Karriere nicht mehr so rund läuft wie in früheren Jahren, nein, ins Wetterkarten-Team wird der gebürtige Franke nicht wechseln. Wobei er in 60 Jahren der Einzige war, dem einmal ein Gastauftritt vergönnt war. Im Januar 2001 musste der "Wetten, dass...?"-Moderator in Ulrich Wickerts "Tagesthemen" das Versprechen einer verlorenen Saalwette seiner ZDF-Unterhaltungsshow einlösen. Ganz versprecherfrei gelang ihm sein 35-Sekunden-Auftritt nicht. In Ehrfurcht vor dem halbamtlichen Charakter der Sendung verzichtete Gottschalk auf sein Vorhaben, mitten im Winter Temperaturen von 29 Grad vorherzusagen.
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Auch wenn es mit Thomas Gottschalks TV-Karriere nicht mehr so rund läuft wie in früheren Jahren, nein, ins Wetterkarten-Team wird der gebürtige Franke nicht wechseln. Wobei er in 60 Jahren der Einzige war, dem einmal ein Gastauftritt vergönnt war. Im Januar 2001 musste der "Wetten, dass...?"-Moderator in Ulrich Wickerts "Tagesthemen" das Versprechen einer verlorenen Saalwette seiner ZDF-Unterhaltungsshow einlösen. Ganz versprecherfrei gelang ihm sein 35-Sekunden-Auftritt nicht. In Ehrfurcht vor dem halbamtlichen Charakter der Sendung verzichtete Gottschalk auf sein Vorhaben, mitten im Winter Temperaturen von 29 Grad vorherzusagen. © Ulrich Perrey/dpa

Der Mann, dem wir in der ARD den Wandel vom trockenen Wetterbericht hin zur Wetter-Show zu verdanken haben, ist der Schweizer Jörg Kachelmann. Nach abgebrochenem Geografie- und Meteorologiestudium machte er sich als "Wetterunternehmer" selbstständig und präsentierte seit 1994 mit langem Zauselhaar in der ARD das Wetter vor der Kamera. Mit ihm wurde die Wettervorhersage nicht nur zum Unterhaltungsformat, sondern auch zur kleinen Meteorologie-Nachhilfestunde – gerne auch im gelben Friesennerz direkt aus Sturm und Wolkenbruch vorgetragen.
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Der Mann, dem wir in der ARD den Wandel vom trockenen Wetterbericht hin zur Wetter-Show zu verdanken haben, ist der Schweizer Jörg Kachelmann. Nach abgebrochenem Geografie- und Meteorologiestudium machte er sich als "Wetterunternehmer" selbstständig und präsentierte seit 1994 mit langem Zauselhaar in der ARD das Wetter vor der Kamera. Mit ihm wurde die Wettervorhersage nicht nur zum Unterhaltungsformat, sondern auch zur kleinen Meteorologie-Nachhilfestunde – gerne auch im gelben Friesennerz direkt aus Sturm und Wolkenbruch vorgetragen. © Andreas Altwein/dpa

Sven Plöger im nagelneuen Studio des "ARD-Wetterkompetenzzentrums" in Frankfurt. Plöger ist der Zappelphilipp der ARD-Wetterstars. Keiner turnt den Tagesströmungsfilm so engagiert vor der Kamera mit. Und niemand kündigt einem tagelanges Mistwetter mit so viel Sonnenschein-Attitüde an wie der Diplommeteorologe aus dem Rheinland.
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Sven Plöger im nagelneuen Studio des "ARD-Wetterkompetenzzentrums" in Frankfurt. Plöger ist der Zappelphilipp der ARD-Wetterstars. Keiner turnt den Tagesströmungsfilm so engagiert vor der Kamera mit. Und niemand kündigt einem tagelanges Mistwetter mit so viel Sonnenschein-Attitüde an wie der Diplommeteorologe aus dem Rheinland. © Boris Roessler/dpa

Dieses TV-Bild kennt wohl jeder: Im März 2020 wird die Wetterkarte der ARD-"Tagesschau", die als quotenstärkste Minute im deutschen Fernsehen gilt, 60 Jahre alt. Bis zu zehn Millionen Menschen schauen sich täglich die Wetterkarte an, die der Hessische Rundfunk seit 1960 für die ARD produziert.
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Dieses TV-Bild kennt wohl jeder: Im März 2020 wird die Wetterkarte der ARD-"Tagesschau", die als quotenstärkste Minute im deutschen Fernsehen gilt, 60 Jahre alt. Bis zu zehn Millionen Menschen schauen sich täglich die Wetterkarte an, die der Hessische Rundfunk seit 1960 für die ARD produziert. © HR

Größter Konkurrent der ARD-Wetterkarte ist nicht die Wettervorhersage des ZDF, sondern die per Smartphone verfügbare Wetter-App. Die verrät nicht nur, ob am nächsten Tag im Süden Deutschlands mit Regen zu rechnen ist, sie wagt auch eine 14-Tage-Prognose und gibt Auskunft über das Wetter am Urlaubsort. Wird die ARD also über kurz oder lang auf den Wetterbericht verzichten können? Niemals. TV-Nachrichten ohne Wetter sind wie ein Gewitter ohne Donner.
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Größter Konkurrent der ARD-Wetterkarte ist nicht die Wettervorhersage des ZDF, sondern die per Smartphone verfügbare Wetter-App. Die verrät nicht nur, ob am nächsten Tag im Süden Deutschlands mit Regen zu rechnen ist, sie wagt auch eine 14-Tage-Prognose und gibt Auskunft über das Wetter am Urlaubsort. Wird die ARD also über kurz oder lang auf den Wetterbericht verzichten können? Niemals. TV-Nachrichten ohne Wetter sind wie ein Gewitter ohne Donner. © Franziska Gabbert/dpa