Kliniken fürchten Sanktionen

Patienten aufnehmen trotz wenig Personal: Das droht jetzt den Krankenhäusern

30.10.2021, 05:54 Uhr
Patienten aufnehmen trotz wenig Personal: Das droht jetzt den Krankenhäusern

© Hans-Joachim Winckler

Zum Beispiel bei Manfred Wagner, dem Medizinischen Direktor und Pandemiebeauftragten des Fürther Klinikums, der seinem Ärger öffentlichkeitswirksam Luft gemacht hat. In einem Video, das sich seit einigen Tagen in den sozialen Netzwerken verbreitet und für kontroverse Diskussionen sorgt, fordert er ein sofortiges Ende dieser Strafzahlungen beziehungsweise Abschläge bei der Vergütung.

„Es kann und darf nicht sein, dass wir dafür bestraft werden, dass wir in einer kritischen Situation über unsere Belastungsgrenzen gehen, um die Patientenversorgung sicherzustellen“, sagt Wagner. Er fordert deshalb Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die zukünftige Bundesregierung auf, diese finanziellen Sanktionen sofort auszusetzen.

Mit der Verordnung zu den Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG), die während der Pandemie längere Zeit nicht galten, soll ein Mindeststandard an Pflege gesichert werden. Die PPUG begrenzen damit auch die Aufnahmekapazität von Krankenhäusern. Ein Pflegekraft-Patienten-Schlüssel definiert klar, wie viele Patienten mit den vorhandenen Pflegekräften auf einer Station behandelbar sind.

Kliniken sind in einem Dilemma

Das Problem: In vielen Häusern fehlt Personal. Die Folge: Will die Klinikleitung die Vorgaben erfüllen, kann sie einen Teil der Betten nicht belegen. Setzt sie sich darüber hinweg, riskiert sie Strafzahlungen.

Nachdem ihm seine Forderung auch empörte Reaktionen aus dem Pflegebereich einbrachte, stellte Wagner in einem zweiten Video ausdrücklich klar: Er findet nicht die PPUG schlecht. Im Gegenteil: Sie sollen die Beschäftigten vor Überlastung schützen.

Angesichts des Pflegenotstands aber gerieten Krankenhäuser in einen Zwiespalt. Händeringend versuche man, Verstärkung zu akquirieren; und dennoch blieben viele Stellen unbesetzt. Beispiel Klinikum: „Wir konnten 2020/21 70 neue Pflegefachkräfte gewinnen“, sagt Wagner, „und trotzdem ist das zu wenig.“


Personalmangel in Bayerns Kliniken nimmt zu


Die Krankenhäuser bekommen laut dem Medizinischen Direktor des Fürther Klinikums also die Pflegekräfte nicht, haben aber noch Betten zur Verfügung und kranke Leute vor der Tür. Was tut man in dieser Situation? Für Wagner ist die Antwort klar: „Wir nehmen sie natürlich auf“. Es gebe keine andere Option. Denn die anderen Häuser seien genauso voll, unter anderem wegen der wieder steigenden Zahl von Covid-Fällen. „Die Möglichkeit, die Patienten woanders hinzuschicken, besteht nicht.“

Tatsächlich ist auch am Klinikum Nürnberg die personelle Situation in der Pflege angespannt. „Das trifft gerade auch auf die Intensivpflege zu“, bestätigt eine Kliniksprecherin. Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der Personaluntergrenzen musste das Klinikum bisher nicht leisten, „dass heißt aber nicht, dass das nicht auf uns zukommt“.

Das Klinikum Nürnberg ist deshalb auch seit geraumer Zeit intensiv auf der Suche nach zusätzlichem Personal. Es gibt in diesem kommunalen Krankenhaus der Maximalversorgung zum Beispiel eine eigene Abteilung, die sich darum kümmert, Pflegerinnen und Pfleger aus dem Ausland zu rekrutieren.

Ansatz ist theoretisch gut

Die Verantwortlichen in den von Strafzahlungen bedrohten Kliniken sind sich einig, dass der Ansatz der Personaluntergrenzen theoretisch gut ist, in der Praxis aber für Probleme sorgt. „Angesichts schwankender Patientenzahlen aufgrund von Notfällen und Pandemien ist das nicht einfach umzusetzen“, sagt Johannes Eissing, Sprecher des Uniklinikums Erlangen. Aktuell weiche man aber nicht von den PPUG ab.