Poetry Slam aus Zirndorf — Das öffentliche Lesen der Anderen
8.1.2016, 10:00 UhrPoetry Slam stammt ursprünglich aus Chicago und bedeutet übersetzt so viel wie Dichter-Wettstreit. Mit klassischen Gedichten hat Poetry Slam allerdings nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen literarischen Vortragswettbewerb, bei dem Autorinnen und Autoren selbst geschriebene Texte – etwa Lyrik, Kurzprosa, Rap oder Comedy-Beiträge – innerhalb eines Zeitrahmens zwischen fünf und sieben Minuten vor Publikum vortragen. Die Zuschauer und Zuhörer küren dann den Sieger. Zwar dürfen sich die Texte reimen – müssen aber nicht.
Anfang der 1990er Jahre schwappte der Poetry Slam über den großen Teich – bis nach Bamberg, wo Michael Jakob, der als Ur-Vater der fränkischen Slam-Szene gilt, im Jahr 2002 als Student erstmals mit dem Veranstaltungsformat in Berührung kam. Jakob erinnert sich, wie er zum Slam-Poeten wurde: „Zwar stand ich schon 1998 mit Comedy-Theater selbst auf der Bühne, doch ich bin ziemlich schüchtern und es hat viel Mut erfordert, vor Publikum zu sprechen. Nach dem ersten Slam wusste ich, dass Poetry genau das ist, was ich will.“
Bereits als 14-Jähriger hatte er, inspiriert vom Kino-Drama „Der Club der toten Dichter“, mit dem Schreiben begonnen und so legte Jakob nach dem Erstkontakt auf dem Uni-Campus sofort los, neue Texte zu verfassen. Neben dem Betriebswirtschaftsstudium belegte er das Fach Theaterpädagogik am Off-Theater in Neuss und schloss die Ausbildung zeitgleich mit dem Diplom ab.
Danach wechselte er direkt auf die Bühne. „Das war auch besser, denn meine BWL-Dozenten bemängelten immer, ich würde zu lyrisch schreiben“, witzelt der zweifache Vater, der am liebsten auswendig Texte vorträgt, die das Publikum zum Zuhören und Lachen animieren, aber durch die emotionale Komponente gleichzeitig zum Mit- und Nachdenken anregen.
„Als Faustregel gilt, dass eine Stunde Schreibarbeit für eine Minute Bühnenauftritt nötig ist.“ Als Slam-Poet folgten gut 2000 Auftritte im gesamten Bundesgebiet sowie diverse Preise und Auszeichnungen, darunter der Wolfram-von-Eschenbach-Förderpreis, das Nürnberg-Stipendium oder der Künstler des Monats in der Metropolregion Nürnberg. Jakob, der 1978 in Ansbach geboren wurde, prägt als Performance-Poet, Autor und Schauspieler den Poetry Slam in Franken maßgeblich mit, obwohl aller Anfang reichlich schwer war.
„Ansbach verfügt jetzt zwar über die größte Slam-Szene, doch als ich 2003 den Grundstein dafür legte, hielten mich alle für verrückt, weil niemand in der Kleinstadt Ansbach ohne Uni eine Überlebenschance für Poetry sah.“ Die älteste Slam-Gemeinde befindet sich in Bamberg, und auch Erlangen gehört zu den etablierten Veranstaltungsorten, von denen es frankenweit 32 gibt.
Auf eine bedeutende Slam-Szene können auch die Stadt und der Landkreis Fürth stolz sein. Regelmäßige literarische Veranstaltungen finden etwa in der Fürther Kofferfabrik ebenso wie in Cadolzburg, Zirndorf oder Seukendorf statt. Inzwischen tritt Michael Jakob nur noch selten auf. Er hat seinen Schwerpunkt auf die Moderation von Veranstaltungen sowie die Weiterentwicklung und Verbreitung des Poetry Slam gelegt, hat Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen und leitet Workshops. Auch seine Schüchternheit hat er abgelegt – vielleicht ist er aber inzwischen zu viel Profi, um sich die Scheu vor dem Publikum noch anmerken zu lassen.
Nächste Termine sind: 10. Januar, 20 Uhr, Kofferfabrik Fürth, Poetry-Slam-Moderation, oder 12. Februar, 20.30 Uhr, Sporthalle SV Seukendorf, Poetry-Slam-Moderation, 19. Februar, 20 Uhr, Alte Scheune Zirndorf, Poetry Slam – Fünf gegen Michl
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