84 Tote in Nizza: Offenbar drei Deutsche unter den Opfern
15.7.2016, 18:40 UhrImmer wieder Terror in Frankreich: Zum dritten Mal innerhalb von anderthalb Jahren wird das Land von einem brutalen Anschlag erschüttert. In Nizza raste ein 31-jähriger Mann am 14. Juli - dem Nationalfeiertag - mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge und riss mindestens 84 Kinder, Frauen und Männer in den Tod. Mehr als 200 Menschen wurden verletzt. 52 schwebten am Freitag noch in Lebensgefahr.
Das Auswärtige Amt geht auch von deutschen Todesopfern aus. Befürchtet wird, dass eine Lehrerin und zwei Schülerinnen aus Berlin ums Leben kamen. "Nach Auswertung aller bisher vorliegenden Informationen können wir nicht ausschließen, dass auch Deutsche betroffen sind", teilte eine Sprecherin am Freitag in Berlin mit. Ein Konsularteam des Generalkonsulats Marseille sei auf dem Weg in die südfranzösische Küstenstadt, um vor Ort die Lage aufzuklären und gegebenenfalls betroffenen Deutschen Hilfe und Beistand zu leisten.
Bei dem Täter handelt es sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft um einen Tunesier namens Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, der seit vielen Jahren in Nizza lebte. Der Mann war bislang nur als Kleinkrimineller aufgefallen. Den Geheimdiensten sei er "völlig unbekannt" gewesen, sagte Staatsanwalt François Molins. Anfangs hatte es geheißen, der Mann habe auch die französische Nationalität.
Ein Bekennerschreiben gab es zunächst nicht. Nach Einschätzung des Staatsanwalts deutet aber viel darauf hin, dass der Mann von Mordaufrufen islamistischer Gruppen inspiriert war. Molins sprach von einer "neuen terroristischen Barbarei". Unter den Todesopfern sind auch mehrere Kinder, wie Präsident Hollande sagte.
Nizza-Fest abgesagt
Die Stadt Nürnberg hat das für Samstag geplante Nizza-Fest abgesagt. Stattdessen findet am heutigen Freitagabend eine Gedenkfeier mit dem aus Nizza angereisten Chor "Le voix de Nice" statt. Zudem liegt ab Samstag, 16.30 Uhr, ein Kondolenzbuch im Rathaus aus.
Frankreichs Präsident Hollande bezeichnete das Attentat als "terroristisch". Er kündigte eine Verlängerung des Ausnahmezustands und die Einberufung von Reservisten an. Nach Schilderungen von Polizei und Augenzeugen ging der Fahrer des Lastwagens mit großer Kaltblütigkeit vor: Er raste auf dem Strandboulevard Promenade des Anglais mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschenmenge und setzte seine Fahrt noch rund zwei Kilometer fort, ehe die Polizei ihn erschoss.
Can see the truck speeding up, being shot at by police in this video going around. #Nice pic.twitter.com/CQNGHB1XC2
— Alejandro Alvarez (@aletweetsnews) 14. Juli 2016
Hinter sich ließ er eine Spur der Verwüstung. Auf der Uferpromenade lagen nach der Attacke dutzende Tote aufgereiht, bedeckt von weißen Tüchern. "Wir sahen, wie Leute getroffen wurden und wie Gegenstände umherflogen", berichtete AFP-Journalist Robert Holloway, der sich zu dem Zeitpunkt vor Ort befand. Die Menschen rannten in Panik auseinander. "Die Leute haben geschrien", sagte Holloway. "Es war das absolute Chaos."
Ausnahmezustand in Frankreich soll verlängert werden
Der Präsident wandte sich noch in der Nacht in einer Fernsehansprache an die Nation, die in den vergangenen Monaten von einer ganzen Serie von Anschlägen verunsichert wurde. Der "terroristische Charakter" des Angriffs könne nicht geleugnet werden, sagte der sichtlich erschütterte Präsident. "Ganz Frankreich ist vom islamistischen Terrorismus bedroht." Hollande kündigte entschlossene Gegenwehr an. "Wir müssen alles tun, um gegen die Geißel des Terrorismus kämpfen zu können", sagte er. "Wir werden jene zur Rechenschaft ziehen, die uns auf unserem eigenen Boden angreifen."
Hollande stellte in Aussicht, den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien zu verstärken. Der nach den Pariser Anschlägen vom 13. November 2015 verhängte Ausnahmezustand solle erneut um drei Monate verlängert werden, kündigte der Präsident an. Eigentlich hätte der Notstand Ende Juli auslaufen sollen. Zudem kündigte der Präsident die Einberufung von Reservisten an, um die Ränge von Polizei und Gendarmerie zu stärken. Die Sicherheitsvorkehrungen in dem Land würden weiter verstärkt.
Bundespräsident Gauck: "Brutaler Anschlag"
Die Feierlichkeiten in Frankreich zum Nationalfeiertag am 14. Juli hatten wegen der Anschlagsgefahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden. Allein in der Hauptstadt Paris waren 11.500 Polizisten im Einsatz. Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich erschüttert über die Attacke. Er sprach von einem "brutalen Anschlag auf friedlich feiernde Menschen", der ihn "mit Entsetzen" erfülle.
Nach dem Terroranschlag von Nizza hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Frankreich die volle Solidarität Deutschlands zugesichert. "Deutschland steht im Kampf gegen den Terrorismus an der Seite Frankreichs", sagte sie am Freitag am Rande des Asem-Gipfels im mongolischen Ulan Bator. "Und ich bin sehr überzeugt, dass trotz aller Schwierigkeiten wir diesen Kampf gewinnen werden."
Alle Teilnehmer des Gipfels seien "vereint in der Fassungslosigkeit über den massenmörderischen Anschlag in Nizza". Sie habe dem französischen Außenminister Jean-Marc Ayrault auf dem Gipfel ihr Mitleid ausgedrückt, sagte Merkel. Frankreich sei am Nationalfeiertag vom Terror getroffen worden, einem Tag, "der ein Tag des Stolzes ist und nun ein Tag der großen Trauer geworden ist".
US-Präsident Barack Obama verurteilte die Attacke von Nizza und sprach von einem offenbaren "schrecklichen Terroranschlag". Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Tat noch in der Nacht als "barbarischen und feigen Akt des Terrorismus". In Frankreich herrscht seit den islamistischen Anschlägen vom 13. November der Ausnahmezustand.
Attentäter hatten bei Attacken auf das Fußballstadion Stade de France, den Pariser Musikclub Bataclan und eine Reihe von Bars und Restaurants 130 Menschen getötet. Zum schwersten Anschlag in der Geschichte Frankreichs bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Zum Anschlag von Nizza bekannte sich zunächst niemand.
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