Überarbeitetes Gesetz

Abschiebung trotz Integration? Warum es künftig mehr Fälle wie Joel A. geben könnte

Minh Anh Nguyen

Online-Redaktion

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16.7.2024, 16:55 Uhr
Joel aus Ghana (Mitte links, im grau-karierten Hemd) steht mit Mitschülern hinter einem Plakat mit der Forderung "1, 2, 3, 4 - Joel bleibt hier!" vor dem Rathaus. Um die Abschiebung des 18-Jährigen zu verhindern, haben sich seine Mitschüler von der Nelson-Mandela-Schule in Hamburg-Wilhelmsburg mit einer von über 100 000 Menschen unterstützten Petition an die Härtefallkommission gewandt.

© Martin Fischer/dpa Joel aus Ghana (Mitte links, im grau-karierten Hemd) steht mit Mitschülern hinter einem Plakat mit der Forderung "1, 2, 3, 4 - Joel bleibt hier!" vor dem Rathaus. Um die Abschiebung des 18-Jährigen zu verhindern, haben sich seine Mitschüler von der Nelson-Mandela-Schule in Hamburg-Wilhelmsburg mit einer von über 100 000 Menschen unterstützten Petition an die Härtefallkommission gewandt.

Joel A.s Schicksal bewegte viele Menschen in den vergangenen Tagen. Der 18-Jährige war 2020 alleine aus Ghana geflüchtet und lebt aktuell mit seinem Vater und seiner kleinen Schwester in Hamburg. Nachdem er hierzulande schnell Deutsch gelernt hatte und nach einem mittleren Schulabschluss kurz vor dem Abi steht, droht ihm trotz allem nun die Abschiebung.

"Ich habe mich hier immer richtig verhalten und angestrengt, deshalb verstehe ich nicht, warum ich jetzt plötzlich nicht mehr bleiben darf", sagte der 18-Jährige gegenüber "taz". Elif Basboga, Joels Lehrerin, erzählt der Zeitung: "Es hört sich vielleicht naiv an, aber ich konnte danach die Nacht nicht schlafen und habe überlegt: Was kann ich nur in dieser Stellungnahme schreiben, damit er nicht abgeschoben wird?"

Nachdem Basboga sowie Mitschülerinnen und Mitschüler von der drohenden Abschiebung erfahren hatten, riefen sie eine Petition ins Leben: "Als gesamte Schule stellen wir uns hinter Joel", schrieben sie darin. "Er würde von seinem Vater und seiner sechsjährigen Schwester getrennt und alleine in ein Land geschickt, in dem er vier Jahre nicht mehr war. Joels Abschiebung wäre zudem ein Verlust für unsere Gesellschaft, der es scheinbar an Toleranz und Empathie mangelt", heißt es in der Petition. Der Aufruf wird zum vollen Erfolg und über 100.000 Menschen unterschreiben. Mittlerweile hatte die Härtekommission entschieden, dass Joel einen Aufenthaltstitel erhalten soll.

Viele wie Joel: Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Seit dem 31. Dezember 2022 ist das Gesetz zum Chancen-Aufenthaltsrecht in Kraft. Das hätte laut Johanna Böhm, Pressesprecherin des Bayerischen Flüchtlingsrats, "die aufenthaltsrechtliche Situation für viele Menschen verbessert". Jedoch sei eine bestimmte Voraussetzung auch eine "massive Katastrophe" für viele junge Menschen.

Neue Voraussetzungen

Früher konnten gut integrierte und ausreisepflichtige Heranwachsende zwischen 14 und 21 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland einen Aufenthaltstitel nach § 25a Aufenthaltsgesetz beantragen.

Mit dem neuen Gesetz können Menschen zwischen 14 und 27 Jahren diesen nun zwar bereits nach drei Jahren Voraufenthalt in Deutschland beantragen, allerdings müssen sie dann auch mindestens zwölf Monate vor der Antragsstellung geduldet gewesen sein. Aber: Besonders in restriktiven Bundesländern, wie in Bayern, erhalten ausreisepflichtige Personen keine Duldung. Die Änderung verwehre vielen jungen Menschen die Chance, bleiben zu können.

Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Böhm: "Der Fall von Joel zeigt gut, dass in sehr vielen Fällen auch junge und motivierte Menschen an hohen und komplizierten Bestimmungen im Aufenthaltsrecht scheitern." Demnach sollen enge Normen der Ausländerbehörde bei Handlungsspielräumen gegen und nicht für die antragstellenden Personen sein.

Joels Schicksal sei damit kein Einzelfall, sagt Böhm. Vielmehr befürchtet der Bayerische Flüchtlingsrat, dass nun mehr gut integrierten Schülerinnen und Schülern eine Abschiebung drohen könnte.

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