Bundestag schafft § 219a ab

Abtreibungs-Werbeverbot ist Geschichte - Tessa Ganserer kündigt nächsten Schritt der Koalition an

Max Söllner

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24.6.2022, 15:05 Uhr
"Die Streichung des 219a ist auch ein wichtiger Schritt für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen", sagte die Nürnberger Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer.

© Frederic Kern via www.imago-images.de, imago images/Future Image "Die Streichung des 219a ist auch ein wichtiger Schritt für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen", sagte die Nürnberger Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer.

Der Bundestag hat die ersatzlose Streichung des Paragraphen 219a Strafgesetzbuch beschlossen. Dieser verbot bislang das Werben, aber auch das ausführliche Informieren im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen.

Zu spüren bekommen hatte dies unter anderem die hessische Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel. Sie informierte auf ihrer Website zu Abtreibungsmethoden - und war dafür zu einer Geldstrafe verurteilt worden, selbst nachdem die Große Koalition den Paragraphen 2019 reformiert hatte.

Rücknahme aller Bestrafungen

Nun kann sie eine Aufhebung des Urteils erwarten, denn das von SPD, Grünen, FDP und Linken beschlossene Gesetzespaket sieht auch die Rücknahme aller Bestrafungen auf Basis des 219a seit 1990 vor. Wie über Abtreibungen informiert wird, soll zukünftig das Heilmittelwerbegesetz regeln. CSU und CDU sowie AfD stimmten gegen das Paket.

"Es ist höchste Zeit", sagte Justizminister Marco Buschmann (FDP) im Bundestag. Jede weitere Verurteilung sei eine zu viel. Er bezeichnete es als absurd, dass im Internet jeder Verschwörungstheoretiker seine Inhalte verbreiten könne, Ärztinnen und Ärzte aber nicht sachlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürften. "Das ist aus der Zeit gefallen", so der Minister über das im Nationalsozialismus verabschiedete und bis dato geltende Gesetz.

Laut Buschmann tangiere das Aus für den 219a nicht den Schutz des ungeborenen Lebens. Dieser sei im Paragraphen 218 geregelt. Schwangerschaftsabbrüche werden dort grundsätzlich kriminalisiert, es gibt aber Ausnahmen, etwa wenn sich die Betroffene beraten lässt, medizinische Gründe oder eine Vergewaltigung vorliegen. Seine Parteikollegin und Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr betonte: Mit der FDP werde es keine Abkehr vom Lebensschutzkonzept geben. "Im Jahr 2022 muss man auch über den Paragraphen 218 reden", sagte dagegen Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Dazu werde es eine Kommission geben.

Was passiert mit dem anderen Abtreibungs-Paragraphen?

"Die Streichung des 219a ist auch ein wichtiger Schritt für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen", sagte die Nürnberger Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer. Der Vorwurf, dass medizinische Informationen über Schwangerschaftsabbrüche "Werbung" sein könnten, sei widersinnig. "Denn Ärztinnen und Ärzte sind von Berufs wegen zur Aufklärung und Weitergabe von Informationen zu zulässigen medizinischen Behandlungen, zu denen auch Schwangerschaftsabbrüche gehören, verpflichtet."

"Wir bringen der Arbeit von Ärztinnen und Ärzten und der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen als einem wichtigen Teil guter Gesundheitsversorgung für Frauen die Wertschätzung entgegen, die sie verdienen", ergänzt die Forchheimer Grünen-Abgeordnete Lisa Badum. "Das ist eine unserer Zeit angemessene Gesellschaftspolitik, die wir als Ampel umsetzen."

Als nächsten Schritt müsse sich die Koalition "dringend der unzureichenden medizinischen Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen zuwenden, da es immer weniger Ärztinnen und Ärzte gibt, die Abbrüche durchführen", sagte Ganserer unter Verweis auf die geplante Kommission. Insbesondere sollten Möglichkeiten geprüft werden, "den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln".

CDU: Werbeverbot war "Faktor" für den Schutz des Lebens

"Jeder kann die Situation der Frau nachempfinden", sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), "aber wir denken eben auch an das Lebensrecht des Kindes". Das sei der Grund, "weshalb wir an der geltenden Regelung festhalten wollen".

Das Werbeverbot sei sehr wohl "ein wesentlicher Faktor" für den Schutz des Lebens. Seine Abschaffung mache "proaktive Werbung" möglich, so Winkelmeier-Becker. "Und das suggeriert dann eben, dass es um eine ganz normale Behandlung geht."

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