Verfassungsgericht
AfD scheitert mit Klage: Bayerns Landtag bleibt im "Bündnis für Toleranz"
11.8.2021, 16:25 UhrVermutlich hatten sie ihre Niederlage schon kommen gesehen. Als Peter Küspert das Urteil der Verfassungsrichter verkündet, ist von der AfD niemand im Saal. Dabei hatte ihre Landtagsfraktion dagegen geklagt, dass der Landtag dem "Bündnis für Toleranz" angehört und verlangt, der Landtag müsse das Bündnis sofort verlassen. Muss er nicht, sagen Bayerns höchste Richter. Im Gegenteil.
Seit 2005 gibt es das Bündnis; seit 2009 gehört der Landtag ihm an. Gegründet haben es die beiden großen Kirchen, aktuell gehören 79 Anstalten, Stiftungen und Körperschaften ihm an. Sie wenden sich klar gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus. Für die AfD verstößt der Landtag damit gegen seine Neutralitätspflicht. Und sie argumentiert, die Mitgliedschaft im Bündnis verletzte das freie Mandat ihrer Landtagsabgeordneten und ihre Oppositionsrechte.
Nicht schlüssig
Es dürfte der AfD wenig behagen, wie die Verfassungsrichter ihre Argumente zerpflückt haben. Mal ganz abgesehen davon, dass sie ihre Klage gleich von haus als für unzulässig erklärt haben. Wenn sie denn argumentiert haben. Wo beispielsweise die Oppositionsrechte eingeschränkt sein sollen oder gar das freie Mandat verletzt werden könnte, erschließt sich den Richtern nicht. Da fehle es "an einer schlüssigen Darlegung", heißt es in ihrem Urteil.
Das Urteil ist eine Ohrfeige für die Rechtspopulisten. Und es ist ein Fingerzeig. Denn die Richter um Peter Küspert schreiben ausdrücklich fest, dass die staatlichen Institutionen zwar parteipolitisch neutral sein müssen. Sie dürfen aber dennoch für ethische Werte eintreten. Das sehen sie als im Sinne der Verfassung an. "Die bayerische Verfassung ist weder wertneutral, noch will sie das sein", sagt Peter Küspert. "Sie ist vom Willen getragen, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates unter Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie erhalten bleiben müssen."
Zentrales Element
Küspert hebt insbesondere auf die Menschenwürde ab und darauf, dass das Bündnis für Toleranz um sie kämpfe, wenn es gegen Rassisten, Antisemiten und Rechtsextreme vorgeht. Die Menschenwürde sei "das zentrale Element und der oberste Grundwert der freiheitlichen demokratischen Grundordnung", sagt der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Für ihn steht das Bündnis quasi für die Verfassung, für ihre "unabänderlichen Grundwerte". Wer sich dort engagiert, der verletze nicht "das freie Mandat von Abgeordneten oder Oppositionsrechte".
Immer wieder klagen Anwälte der AfD gegen staatliche Institutionen oder Staatsvertreter. Doch in der Regel unterliegen sie. So jetzt auch in Karlsruhe. Per Eilantrag wollte die AfD dort durchdrücken, dass der Bundestag ein Verfahren entwickelt wie ihr Kandidat für das Amt eines Bundestagsvizepräsidenten auch gewählt werden kann. Denn einer der Posten steht ihr im Prinzip zu.
Durchgefallen
Doch seit drei Jahren stellt die AfD dort Kandidat um Kandidat auf, seit drei Jahren wählen die anderen ihn nicht. Die Wahl ist geheim und demokratisch; niemand kann zu einer bestimmten Stimmabgabe gezwungen werden. Das Urteil könnte durchaus auch richtungsweisend für Bayern sein. Denn hier ergeht es der AfD ganz ähnlich bei den Landtagsvizepräsidenten. Auch hier hat sie schon mit Klage gedroht.
Die Karlsruher Richter sehen allerdings keinen drängenden Regelungsbedarf und lehnen die Klage deshalb ab. In der Sache selbst allerdings haben sie noch nicht entschieden. Auch in Bayern steht eine zweite Verfassungsklage der AfD an, die sich ebenfalls mit einem parlamentarischen Gremium beschäftigt und die im Kern vergleichbar ist mit der Karlsruher Klage.
Die AfD will sich die Mitgliedschaft im so genannten Parlamentarischen Kontrollgremium vor Gericht erkämpfen. Das PKG überwacht den bayerischen Verfassungsschutz, seine Arbeit gilt als sensibel. Das Gremium verfügt zwar derzeit über sechs Sitze, was den sechs Landtagsfraktionen entspräche. Doch die anderen fünf Fraktionen lassen wie auch bei der Vizepräsidentenwahl die AfD-Kandidaten in Serie durchfallen. Wann die bayerischen Richter hier entscheiden, ist offen.
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