Aktion zum Frauentag: Reden wir über Verteilung der Macht!
8.3.2019, 06:00 UhrNur eine von drei Führungskräften in der Europäischen Union ist eine Frau und sie verdient im Schnitt fast ein Viertel weniger als ein Mann. Deutschland zählt in der EU zu den Schlusslichtern. In der Bundesrepublik ist nämlich sogar nur ein Viertel des Führungspersonals weiblich.
Müssen Journalistinnen am Internationalen Frauentag laut werden? Viele Kolleginnen in der Redaktion der Nürnberger Nachrichten finden: Ja, unbedingt. Sind doch die meisten Verlage bundesweit keineswegs dabei, den Anteil von Frauen in Führung zu erhöhen.
Weniger Ressortleitungen
Im Gegenteil. Der Verein Pro Quote zieht aktuell die bittere Bilanz, dass in den meisten Redaktionen der Anteil an Führungsfrauen stagniert oder sogar sinkt. Positiver Spitzenreiter ist der Stern mit einem Frauenmachtanteil von 44,4 Prozent, beim Spiegel sind 37,3 Prozent der Chefposten weiblich besetzt, bei der Zeit 27,7 Prozent, der Süddeutschen Zeitung 26,4 Prozent. In der Redaktion der Nürnberger Nachrichten arbeiten zu 43,1 Prozent Frauen, doch Ressortleiterinnen gibt es derzeit gerade mal vier.
Wobei es der Chefredaktion ein Anliegen ist, Frauen in Führungspositionen zu stärken. Als Pro Quote 2018 eine Studie zum Thema Gleichstellung im Rundfunk vorlegte, erklärte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey: Von Gleichstellung seien wir in den deutschen Medien weit entfernt. "Wer ausgewogene und vielfältige Berichterstattung will, der muss dafür sorgen, dass journalistische Führungspositionen gleichberechtigt zwischen Frauen und Männern verteilt sind."
Mehrheit der Deutschen ist für Frauentag als gesetzlichen Feiertag.
Kolleginnen der Nürnberger Nachrichten zeigen sich heute auf der ersten Seite in T-Shirts mit dem Schriftzug "the future is female". Der Satz stammt aus den 1970er Jahren und ist umstritten: Wollen wir eine weiblich dominierte Gesellschaft oder eine Zukunft, in der alle, egal welchen Geschlechts und welcher Herkunft, die gleichen Rechte haben? Ganz sicher Letzteres.
Halbherzige Reform
Doch Zuspitzung ist ein probates Instrument, um in den Dialog zu treten. Lasst uns also über die gerechte Verteilung der Macht, der Aufgaben in Familie und Beruf, der Rechte und Pflichten sprechen. Und das ohne falsche Bescheidenheit. Wir müssen nicht aufjubeln und dürfen kaum annehmen, dass der Feminismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, nur weil sich Kanzlerin Angela Merkel gegen Ende ihrer Regierungszeit für Parität in den Parlamenten ausspricht.
Wir dürfen wütend sein, weil sich die Koalition für eine halbherzige Reform des Paragrafen 219 a entschieden hat, deren Aussage sich so zuspitzen lässt: Frauen darf man bei der Entscheidung über den Abbruch einer Schwangerschaft nicht über den Weg trauen.
Wut macht Sinn
Die Wut darüber, dass Mädchen und junge Frauen in Deutschland im Durchschnitt die besseren Abschlüsse machen als ihre männliche Konkurrenz, diese dann aber im Wettstreit um die Chefposten an ihnen vorbeizieht, ist so alt wie die Klage über toxische patriarchale Strukturen, die dies ermöglichen. Wut macht Sinn, verschafft sie doch den nötigen Mut, um voller Leidenschaft in die Auseinandersetzung zu gehen.
Doch wer Dinge verändern will, muss die Wut umwandeln in Engagement. Dabei immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es ohne Solidarität mit all den anderen, die sich eine gleichberechtigte Gesellschaft wünschen, kaum funktionieren wird. Dabei können Frauen wie Männer feministisch unterwegs sein, solange es ihnen um die gerechte Verteilung von Rechten und Pflichten geht.
Große Aktion der "Nürnberger Nachrichten" zum Weltfrauentag.
Der Gedanke, sich selber zu stärken und das im Verbund mit Gleichgesinnten, hat eine magische Anziehungskraft. In Zeiten von Social Media sind positive Rollenvorbilder ja tatsächlich wie durch Zauberhand überall verfügbar. Es müssen nur mehr werden. Wir brauchen weniger Schminktutorials, dafür mehr Youtuberinnen wie Mai Thi Nguyen-Kim, die Wissenschaftsthemen eingängig erklärt und dafür den Grimme Online Award bekam. Die Idee dieser Schwerpunktausgabe ist es, starke Frauen zu zeigen. Kristina Lunz kämpft für feministische Außenpolitik, Aya Jaff für mehr Frauen in der Digitalbranche, Tijen Onaran schrieb eine Netzwerkbibel für Frauen, Nhi Lee bloggt, damit endlich die Rollenstereotypen aus Mädchenzeitschriften verschwinden.
Mitreißende Ideen
Sie sind Ideengeberinnen und Mutmacherinnen für den eigenen Weg. Sie sagen klar, was sich ändern muss. Sie zeigen Männern wie Frauen, die Herz und Kopf an die Idee der Gleichstellung verloren haben, dass sie sich von Hindernissen nicht abschrecken lassen dürfen. Ganz im Gegenteil: Nur weil der Weg weit ist, heißt das nicht, dass man nicht losgehen sollte.
Es geht nicht ohne Solidarität. Aber auch nicht ohne klare Worte. Die Aussage, dass Frauen doch schon jetzt öfter an einflussreichen Positionen wären, wenn sie nur gut genug wären, stimmt schlicht nicht. Dafür sind patriarchale Strukturen zu zäh.
Doch wenn Unternehmen gezwungen sind, für den Vorstand eine Frau zu finden, müssen sie in die Förderung des weiblichen Nachwuchses investieren. Natürlich geben diejenigen, die bislang den Einfluss haben, diesen nicht bereitwillig ab. Es kann also auch mal laut werden, wenn man es ernst meint. Auch, aber nicht nur am Internationalen Frauentag.
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