Pikante Umfrage

Alternative zu Deutschland? Fast die Hälfte der AfD-Wähler will im Ausland leben

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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5.10.2023, 13:20 Uhr
Mit Forderungen wie auf diesem Wahlplakat wirbt die AfD für Wählerstimmen. Dabei hegen viele ihrer Wähler selbst den Wunsch, die Heimat auf der Suche nach einem "besseren" Leben zu verlassen.

© IMAGO/Blatterspiel Mit Forderungen wie auf diesem Wahlplakat wirbt die AfD für Wählerstimmen. Dabei hegen viele ihrer Wähler selbst den Wunsch, die Heimat auf der Suche nach einem "besseren" Leben zu verlassen.

"Mut zu Deutschland" - mit diesen Worten beginnt die Präambel des "Grundsatzprogramms für Deutschland" auf der Homepage der AfD. Einem großen Teil ihrer politischen Anhängerschaft scheint dieser "Mut" zu fehlen: Laut einer von den Nachrichtensendern RTL und ntv in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage würden es 46 Prozent der AfD-Wähler vorziehen, im Ausland zu leben.

Zum Vergleich: Die Anhänger der anderen Bundestagsparteien sind deutlich zufriedener mit dem Leben hierzulande. So leben 94 Prozent der SPD-Wähler und 87 Prozent der Grünen-Wähler gerne in Deutschland, bei den Anhängern der Union sind es 83 Prozent. Sie alle liegen damit über dem bundesweiten Schnitt, nach dem immerhin mehr als drei Viertel aller Befragten glücklich in Deutschland leben.

Nach "eigenen" Maßstäben: keine Bleibeperspektive im Ausland

Warum so viele AfD-Wähler das Land gerne verlassen würden, verrät die Forsa-Umfrage nicht. Doch völlig unabhängig von den Beweggründen sollte den auswanderungswilligen Anhängern der Partei klar sein: Sollten die Zielstaaten ihrer Wahl eine ähnlich rigide Einwanderungspolitik verfolgen, wie sie die AfD in Deutschland fordert, dürfte ihnen die Suche nach einer neuen Heimat schwerfallen.

Da die Partei ihrer Wahl in ihrem Grundsatzprogramm nur zwischen "politisch Verfolgten und Kriegsflüchtigen" auf der einen und "irregulären Migranten" auf der anderen Seite unterscheidet, hätten die AfD-Wähler ein Problem: Hierzulande herrscht kein Krieg, und niemand wird aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt. Ihr Traum von der Auswanderung würde - zumindest nach dem Willen der AfD - noch vor der Ausreise ein jähes Ende im Asylzentrum finden.

AfD-Überzeugungen: Mit Deutschland nicht vereinbar?

Das Ergebnis der Forsa-Umfrage wirft eine zentrale Frage auf: Wieso zieht eine Partei mit nationalkonservativen und nationalistischen Positionen so viele Menschen an, die das Land am liebsten verlassen möchten? Auf den ersten Blick stützt dieses Paradoxon die lange Zeit vorherrschende These, dass ein großer Teil der AfD-Wähler nur aus Protest der Partei ihre Stimme geben würde, und nicht, weil ihnen eine vermeintliche Verbesserung der Lebensumstände im eigenen Land am Herzen liegen würde.

Dabei sind viele Politikexperten längst zur Überzeugung gelangt, dass diese These nicht mehr haltbar ist: Die Partei habe sich kontinuierlich eine Stammwählerschaft aufgebaut - auch aufgrund der schlüssigen Tatsache, dass bei einem Großteil der AfD-Wählerschaft persönliche Überzeugungen mit denen der Partei tatsächlich übereinstimmen (wobei zumindest fragwürdig ist, ob sich die AfD-Wähler darüber im Klaren sind, welche Konsequenzen ihr Wahlverhalten für sie hat).

Die Kurzversion dieser Überzeugungen lautet: nationale Autonomie statt internationaler Zusammenarbeit, Leitkultur statt Vielfalt, Abschottung statt Öffnung. Eine Abkehr also von den politischen und staatlichen Prinzipien, die Deutschland Wohlstand und Ansehen in der internationalen Politik verschafft haben. Von diesen Prinzipien scheinen sich diese Überzeugungen der AfD entfernt zu haben. Derart weit, dass viele Anhänger der "Alternative für Deutschland" mittlerweile eine Alternative zu Deutschland suchen.