Attentat in London: Angreifer war polizeibekannt

6.6.2017, 11:52 Uhr
Noch immer liegen mehr als 30 Verletzte in Krankenhäusern, darunter 18 in kritischem Zustand.

© dpa Noch immer liegen mehr als 30 Verletzte in Krankenhäusern, darunter 18 in kritischem Zustand.

Trotz ihrer schnellen Reaktion auf den Londoner Terroranschlag geraten die britischen Sicherheitsbehörden immer mehr unter Druck. Einer der mutmaßlichen Attentäter, Khuram Shazad Butt, hatte in einer TV-Dokumentation mit einer Fahne der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) posiert und war den Sicherheitsbehörden bekannt.

Wenige Tage vor der britischen Parlamentswahl teilte Großbritanniens Anti-Terror-Chef Mark Rowley mit, der Mann sei damals überprüft worden. Aber die Behörden hätten keine Belege gefunden, dass er einen Anschlag plane. Daraufhin sei der in Pakistan geborene Brite als nachrangig eingestuft worden.

Zwölf Verdächtige, die nach dem Anschlag vom Samstagabend festgenommen worden waren, sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. In der Nacht zum Dienstag durchsuchten Beamte eine Wohnung im Ostlondoner Stadtteil Ilford. Dabei sei niemand festgenommen worden, teilte die Polizei mit.

Verbindungen zu Hassprediger

Trotz seiner Verbindungen zu radikalen Islamisten arbeitete Butt von Mai bis Oktober 2016 für die Londoner U-Bahn. Die Zeitung "The Times" berichtete, Butt habe Verbindungen zu einem der Attentäter des Londoner Terroranschlags vom 7. Juli 2005, bei dem Dutzende Menschen getötet worden waren, sowie zu einem bekannten Hassprediger gehabt.

Der 27-Jährige war verheiratet und hatte zwei Kinder. Er lebte im Ostlondoner Stadtteil Barking, wie auch der zweite mutmaßliche Attentäter Rachid Redouane. Der 30-Jährige aus Marokko, der sich zeitweise auch als Libyer ausgab, hatte eine kleine Tochter mit einer 38-jährigen Frau, die unterschiedlichen Berichten zufolge aus Irland oder aus Schottland stammt. Er war der Polizei offenbar nicht bekannt.

Zum dritten Angreifer, der an dem Anschlag am Samstagabend mit mindestens sieben Toten und Dutzenden Verletzten beteiligt war, sind bisher noch keine Details veröffentlicht worden.

Landesweite Schweigeminute

Für Dienstagvormittag war eine landesweite Schweigeminute in Gedenken an die Opfer geplant. Noch immer liegen mehr als 30 Verletzte in Krankenhäusern, darunter 18 in kritischem Zustand. Mehrere Menschen werden zudem noch vermisst, darunter eine 21-jährige Australierin. Die Polizei hatte die Attentäter acht Minuten nach den ersten Notrufen erschossen.

Der britische Außenminister Boris Johnson zeigte in der BBC Verständnis für kritische Fragen, "wie diese Person durch unser Netz schlüpfen konnte". Er betonte aber, die Verantwortung für den Anschlag liege bei den Terroristen. Ähnlich äußerte sich der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan. Er warnte aber auch vor neuen Kürzungen bei der Polizei, wenn Premierministerin Theresa May die Wahl an diesem Donnerstag gewinnt.

Kritiker werfen der Regierungschefin vor, sie trage aus ihrer Zeit als Innenministerin eine Mitverantwortung dafür, dass es heute 20.000 Stellen weniger bei der Polizei gebe als 2010.

Am Samstagabend waren drei Männer mit einem Lieferwagen auf der London Bridge in Menschen hineingefahren und hatten anschließend Passanten und Kneipenbesucher im beliebten Borough Market mit langen Messern attackiert. In dem Lieferwagen wurden Medienberichten zufolge mehrere Zündsätze gefunden, sogenannte Molotow-Cocktails. Die London Bridge ist weitgehend wieder für den Verkehr freigegeben, der Borough Market hingegen war weiterhin abgesperrt. Dort setzten Ermittler ihre Arbeit fort.

In Pakistan nehmen Sicherheitskräfte die Verwandten des mutmaßlichen Attentäters Butt ins Visier. Geheimdienstmitarbeiter durchsuchten am Dienstag ein Restaurant, das einem Onkel Butts gehört, in der Stadt Jhelam, etwa 120 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Islamabad.

Das bestätigten zwei örtliche Polizeibeamte der Deutschen Presse-Agentur. Ein Offizieller sagte der britischen Zeitung "The Telegraph", es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme.

Bruder des Manchester-Attentäters entlassen

Gut zwei Wochen nach dem schweren Terroranschlag in Manchester hat die Polizei einen Bruder des mutmaßlichen Selbstmordattentäters ohne Anklage entlassen. Von ursprünglich 18 Festgenommenen seien nun noch 10 in Gewahrsam.

Am 22. Mai hatte ein Terrorist nach einem Konzert der US-Sängerin Ariana Grande mehr als 20 Menschen in den Tod gerissen. Seit dem Anschlag haben sich die Blutspenden im ganzen Königreich mehr als verdoppelt, wie Medien berichteten. In Manchester gebe es sogar gut 11 Mal so viele Blutspender.

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