Aufatmen und Demut in rauchfreien Zügen
03.09.2007, 00:00 Uhr
Es ist ja nicht so, dass nicht auch Raucher schon immer die gute Luft von Nichtraucherabteilen zu schätzen gewusst hätten. «Ich hab’ nie was anderes gebucht», beteuert Monika Lewandowski, die sich am Bahnsteig von Gleis sieben des Nürnberger Hauptbahnhofs, brav im gelb abmarkierten Raucherquadrat stehend, mit ein paar tiefen Lungenzügen auf vier nikotinfreie Stunden vorbereitet. Doch früher, da konnte sie, immer wenn ihr danach war, im Zug einen Abstecher ins Raucherabteil oder - noch lieber - ins Bordbistro machen, um ein Zigarettchen zu rauchen. «Das war sehr gemütlich», sagt die Rheinländerin. «Ich hab’ da viele nette Leute kennengelernt.»
Aus, vorbei. Für Monika Lewandowski werden die regelmäßigen Bahnfahrten zwischen Nürnberg und Düsseldorf mit dem seit 1. September geltenden Rauchverbot keine gesellige Veranstaltung mehr sein. «Mal gucken, ob man wenigstens auf der Toilette noch rauchen kann.»
Können schon, aber dürfen nicht. Der Präsident des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, prophezeit dennoch dauerbelegte und verqualmte Zugtoiletten. Auch in den Regionalzügen, wo das Rauchen bereits seit Anfang Juli verboten ist, seien die Süchtigsten der Süchtigen nämlich aufs Klo ausgewichen. Schlauer als ein generelles Verbot, das nach Naumanns Schätzung die Hälfte aller Raucher ganz aus dem Bahn-Fernverkehr vertreiben werde, wäre deshalb in Zügen und Bahnhöfen die Einrichtung kleiner Raucherzellen mit leistungsstarker Entlüftung gewesen.
Die wird es vorerst nicht geben. Die Deutsche Bahn setzt auf die Vernunft und Friedfertigkeit der Menschen. Zumindest am ersten Wochenende wurde diese Hoffnung denn auch erfüllt. Nach Angaben der Unternehmenszentrale gab es unter den Reisenden keinen größeren Unmut, keine Zwischenfälle und keine Beschwerden.
Tatsächlich geht natürlich durch die Reihen der Nichtraucher unter den Bahnkunden sogar ein großes Aufatmen. «Ich bin sehr froh», sagt Edeltrud Simon, die gerade mit dem ICE in Nürnberg eingetroffen ist und von ihrer Freundin am Bahnsteig abgeholt wird. Nach jedem Halt sei das neue Rauchverbot über den Bordlautsprecher verkündet worden, und alle hätten sich ohne Murren daran gehalten. Ganz wunderbar findet die Frau aus dem Westerwald das rauchfreie Bahnfahren. Und die Freundin erinnert sich angeekelt daran, wie man bisher auch in den Nichtraucherabteilen nicht sicher vor dem stinkenden Qualm gewesen sei, der aus den Nachbarabteilen herüberzog.
Gründliche Reinigung
Feine Nasen werden den Nikotingeruch vermutlich noch eine Zeit lang ausmachen können in den Fernverkehrszügen. Die Bahn verspricht aber, alle ehemaligen Raucherabteile in den nächsten Tagen und Wochen gründlich zu reinigen.
Besonders hart trifft das konsequente Verbot die Raucher unter dem Bahnpersonal. Leute wie den Zugbegleiter Heinz Friedrich. Er muss nun seinen ganzen Arbeitstag ohne Zigaretten verbringen. Weil er es schließlich schlecht so machen kann wie einige seiner Passagiere. «Die springen, wenn der Zug wo hält, schnell mal raus und paffen in zwei Minuten so ein Ding weg», sagt der Mann in der blauen DB-Uniform, der sich zum Abfackeln der letzten Zigarette vor Dienstbeginn auch ordentlich ins gelbe Raucher-Quadrat auf dem Bahnsteig gestellt hat.
In Friedrichs Lunge und Geldbeutel wird sich der Verzichtzwang in jedem Fall positiv auswirken. «Bisher hab’ ich am Tag um die 20 geraucht, jetzt sind es nur noch zehn.» Die Pfefferminzpastillen, die er aus der Hosentasche zieht, sind gesünder und billiger. Trotzdem findet der aus Magdeburg stammende Zugbegleiter die immer mehr um sich greifenden Rauchverbote «ziemlich übertrieben».
Denn nicht nur in Zügen und in Bahnhofsgebäuden darf man sich ab sofort nicht mehr mit Glimmstängel erwischen lassen. Mit dem seit 1. September geltenden Bundesgesetz ist das Rauchen auch in Bussen und Taxis sowie in Bundesbehörden wie etwa den Arbeitsagenturen verboten.
«Von mir aus», sagt Ex-Raucherin und Bahnkundin Edeltrud Simon, «könnten sie es überall verbieten.» Vor allem in Restaurants - hier greift das Rauchverbot in Bayern ab dem 1. Januar - sehnt sie sich nach unverpesteter Luft. Weil es komischerweise so sei, dass einen der Rauch, je seltener man ihm begegne, immer mehr störe. «Früher war er doch überall selbstverständlich.» Zeiten, nach denen sich Monika Lewandowski zurücksehnt. «Das wird hier doch immer schlimmer», sagt die Frau, die jetzt gleich vier Stunden ohne auskommen muss. «Mich erinnert das langsam an die DDR.»