Auschwitz-Überlebende plädiert für bundesweiten Feiertag
26.01.2020, 19:14 Uhr
Dies sei seit sieben Jahrzehnten überfällig, schreibt die 95-Jährige in einem am Sonntag in Berlin verbreiteten offenen Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Mitglieder des Bundestages.
Jeder Fünfte findet: Holocaust-Gedenken spielt zu große Rolle
"Der 8. Mai muss ein Feiertag werden. Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann"“, erklärte die 1924 in Saarlouis geborene Jüdin. Dies würde helfen, "endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes“. Wie viele andere aus den Konzentrationslagern sei auch sie auf einen Todesmarsch getrieben worden: "Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit.“
"Wir haben aus der Geschichte gelernt"
Am 8. Mai wäre somit Gelegenheit, „über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - und Schwesterlichkeit.“ Dann könne ein Bundespräsident vielleicht irgendwann sagen: "Wir haben aus der Geschichte gelernt. Die Deutschen haben die entscheidende Lektion gelernt", heißt es in dem offenen Brief Bejaranos.
1943 wurde sie in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert und spielte dort im Mädchenorchester. Später zwangen die Nazis sie, auf einen der sogenannten Todesmärsche zu gehen, bei dem sie fliehen konnte. Bejarano lebt heute in Hamburg.
7 Kommentare
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Karoline
@goodtry + Kuno.....
kann ich zustimmen. Besonders auch der Schweigeminute im Unterricht, am Arbeitsplatz, Rundfunk und Fernsehen...sehr guter Gedanke.
Chamaeleon123
Feiertag nur, wenn speziell an diesem Tag freiwillige Friedensfeste stattfinden - mit dem „Ziel“/der Möglichkeit, verschiedene Menschen friedlich zusammenzubringen (vgl. Friedenstafel Nbg). Gerne mit Gesprächerunden (aktuelle ethische Fragen etc...) : Als Fest der Versöhnung, Fest der Freundschaft. Ohne dass es zwanghaft wird.
Schweigeminute/Gedenken im Unterricht halte ich für wenig effektiv. Lieber Video von Zeitzeugen im Lehrplan verankern, das bringt mehr als eine Schweigeminute pro Jahr, weil es auf die Emotionen der Schüler direkter wirkt. Spiegelneuronen und so. Klingt jetzt evtl. manipulativ, macht die Werbung/Supermarkt/Arztpraxis/Schule aber auch („Geiz ist...“), auch die Medien im Allgemeinen.
Und vor allem eine Diskussionsrunde mit Schülern nach Zeitzeugenvideos machen, um aufzuklären, wie das passieren konnte, unabhängig von Noten/Zeitdruck/Zahlenfakten/Sachwissen-lernen. Leider ist das Schulsystem nach wie vor auf Leistung/Ergebnisse getrimmt. Humanismus, naja, gibt‘s im kleinen Handlings-Spielraum der LehrerInnen teilweise noch. Bilden wir SchülerInnen für die „Wirtschaft“ aus oder zu selbstständig denkenden und handelnden Menschen?
goodtry
Wenn in absehbarer Zeit keine Überlebenden mehr Zeugnis geben können, laufen wir Gefahr in eine rein institutionelle Erinnerung zu laufen mit Politikerreden, Kränzen...
Dann sollten wir nach anderen Formen des Erinnerns suchen. Warum solidarisieren wir uns nicht mit Israel am Tag der Befreiung von Auschwitz und legen die Arbeit nieder für 5 oder 10 Minuten und schweigen? (Ich höre schon Arbeitsrecht und so, aber zur Not halt nur im öffentlichen Sektor.)
Oder wir nutzen diesen Moment der Stille um in Schulen in jeder Klassenstufe die Namen von Gleichaltrigen Ermordeten aus der jeweiligen Stadt/Stadtteil zu verlesen mit ehemaligen Wohnort usw. Geht auch in Altenheimen, Behörden...
Wir würden damit die Absicht der Nazis durchkreuzen, diese Menschen und die Erinnerung an sie auszulöschen und würden sie symbolisch wieder in unsere Mitte nehmen.
Und wer sich in den Schulen da nicht benehmen kann, was durchaus zu erwarten ist, der könnte ja dann ein wenig extra Recherchearbeit übernehmen zu Opferbiographien.
KunoKleinknecht
@Karoline: ich gebe Ihnen recht. Es wäre ein Gedenktag und kein Feiertag. Man feiert ja nicht, sondern gedenkt.
Ihre Meinung über die Begriffe "befreit" und "besiegt" sehe ich ein bißchen anders. Auf die Kriegsgeneration bezogen haben Sie sicher recht. Ich jedoch als heute Mittfünfziger stelle mir nur kurz vor, der Krieg wäre anders ausgegangen. Wer hätte nach dem Krieg noch lange regiert, würde es vielleicht bis heute noch? Unter Eindruck dieser Vorstellung empfinde ich uns sehr wohl als "befreit".
blockvier
Meine Großmutter konnte sich bis zu ihrem Tod vor einigen Jahren nicht dazu durchringen, sich von Hitler zu lösen. Sie stand am Straßenrand und jubelte ihm zu. Während, wie mir mein sein gesamtes Leben gegen Faschismus kämpfender Onkel erzählte, der Rest der Familie Hitler und seine Braunbrut entschieden verachtete. Und, so lange dies noch ohne begründete Angst um ihr Leben möglich war, gegen diese demonstrierten. Niemand darf alle Deutschen dieser dunklen Epoche über einen Beschuldigungskamm scheren!
Das Erinnern an die Verbrechen der Nazis muss erhalten bleiben! Durch Aktionen, Schulunterricht, TV-Sendungen, Clips in Internetblogs. Aber wäre ein eigener Feier-/Gedenktag wirklich hilfreich? Seit vielen Jahren lässt sich beobachten, dass für die Masse der Bevölkerung die Bedeutung der bereits bestehenden Feiertage rasant abnimmt. Dies steht mittelfristig hier ebenfalls zu befürchten!