Auto-Boom hinterlässt Verlierer
02.04.2009, 00:00 Uhr
Freuen kann sich Thomas Bux über den Boom seiner Branche trotzdem nicht. Weil es - genauer besehen - auch gar kein richtiger Boom ist. Mit der auf die Verwerter zurollenden Schrottlawine ist nämlich kein gutes Geschäft zu machen. «Im Vergleich zu 2008 ist der Schrottpreis schon um 70 bis 80 Prozent gesunken», sagt Bux. Das hohe Schrottangebot passt nicht besonders gut zum dramatischen Einbruch der Exportaufträge in der metallverarbeitenden Industrie. Die Stahlwerke, in denen die AVF-Autoreste ausnahmslos landen, zahlen entsprechend schlecht.
«Da tränen einem die Augen»
Fast noch mehr als unter diesem Preisverfall leidet Thomas Bux allerdings unter dem Anblick dessen, was da so alles in seiner Presse landet. «Sie glauben ja gar nicht, was die Leute jetzt alles wegschmeißen. Da tränen einem die Augen», klagt er. «Hier drüben steht ein tadelloser BMW 316i mit 89 000 Kilometern - der ist gerade mal eingefahren.» Trotzdem hat sich der Besitzer für 2500 Euro Prämie von dem noch lange nicht abwrackreifen Fahrzeug getrennt. Kein Einzelfall.
Bevor die Autos zu einem kompakten Metallpaket gepresst werden, müssen sie «trockengelegt» und demontiert werden. Das heißt: Alle Flüssigkeiten werden abgelassen und alle wertvollen Teile entnommen. Maximal 28 bis 30 Wagen schafft das AVF-Team am Tag. Bis zu 60 Fahrzeuge täglich wurden zuletzt aber angeliefert. Die Halde wächst. Von Privatleuten muss Bux inzwischen eine Verwertungsgebühr kassieren. Kunden, die gebrauchte Ersatzteile suchen, dürfen sich dagegen freuen. Fast alles ist auf Lager.
Entwertete Gebrauchtwagen
Mit zu den Hauptleidtragenden des durch die Umweltprämie angeregten Ansturms auf neue Kleinwagen gehören die Gebrauchtwagenhändler. Bei manchen ist das Geschäft fast zum Erliegen gekommen. Vor allem Fahrzeuge, die bis vor kurzem noch auf einen Restwert von 10 000 bis 12 000 Euro taxiert wurden, haben extrem an Wert eingebüßt. «Um dieses Geld kaufen sich die Leute jetzt lieber einen Neuen», sagt Christian Dorr von CD-Automobile in Nürnberg. Der Händler ist überzeugt, dass viele dabei einen schweren Fehler machen. «Manchen Japaner, der jetzt billig gekauft wird, können Sie in fünf Jahren in der Pfeife rauchen.»
Auch Dorrs Kollege Bernd Suft, der überwiegend mit gebrauchten Mercedes handelt, schüttelt nur noch den Kopf über manches Kundenverhalten. «Die Leute sind durch die Prämie psychologisch massiv beeinflusst», ist er überzeugt. Gut erhaltene, rostfreie Wagen würden bereitwillig vernichtet. «Und der Staat verschenkt viel Geld an Leute, die es oft gar nicht bräuchten.» Wer im nächsten Jahr einen günstigen Gebrauchtwagen suche, prognostiziert Suft, der werde sich hart tun. Sogenannte Studentenautos werden dann nicht mehr am Markt zu finden sein. Suft glaubt, dass die österreichischen Nachbarn bei der Abwrackprämie das bessere Modell hätten. Dort muss der Altwagen mindestens 13 Jahre auf dem Buckel haben, und der staatliche Zuschuss beträgt nur 1500 Euro.
Wer sich jetzt zum Kauf eines günstigen Neuwagens entscheidet, hofft auch darauf, sich für einige Jahre Reparaturkosten zu sparen. Vor allem freien Werkstätten drohen dadurch Kunden verlorenzugehen. Seit 25 Jahren betreibt Friedrich Strohmaier in Nürnberg-Gostenhof einen solchen Betrieb. Einen leichten Umsatzeinbruch - «ungefähr im Auftragswert von 3000 Euro pro Monat» - registriert er bereits. Trotzdem mag er nicht jammern. Der Großteil seiner Kunden neigt beim Thema Auto in keiner Weise zur Hysterie. «Zu mir kommen viele Individualisten.» Die hängen noch am soliden Altwagen und holen sich wegen eines staatlichen Zuschusses von 2500 Euro noch lange kein superbilliges «Kassengestell» nach Hause.
Überhaupt rät Friedrich Strohmaier dazu, die Abwrackprämie nicht als Geschenk des Staates an den kleinen Mann zu sehen, sondern eher als «einseitiges Industrieprivilegium». Und den Meister-Schrauber, bei dem ein paar zeitkritische Anmerkungen zum Kundengespräch gehören, amüsiert schon fast, dass solcher «Dirigismus» jetzt auch von Politikern gerechtfertigt wird, die bisher den Selbstregulierungskräften des Marktes blind vertrauten. Durch die Krise werde uns das alles nicht helfen. Denn wer jetzt ein Auto kaufe, verzichte halt auf andere Anschaffungen. «Jeder Euro kann schließlich nur einmal ausgegeben werden.»
"Umverteilung des Konsums"
Zu dieser schlichten Weisheit passen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach hat der deutsche Einzelhandel im Februar 5,3 Prozent weniger umgesetzt als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels macht die Abwrackprämie dafür verantwortlich. «Was hier stattfindet, ist eine Umverteilung des Konsums zulasten des Einzelhandels.»