Harte Auseinandersetzung

Bahn-Tarifkonflikt: Lokführer-Gewerkschaft kämpft auch für sich selbst - und sollte nicht überziehen

Alexander Jungkunz

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9.11.2023, 15:55 Uhr
Blick auf die Uhr: GdL-Chef Claus Weselsky.

© Fabian Sommer, dpa Blick auf die Uhr: GdL-Chef Claus Weselsky.

Auf einer Rangliste der unbeliebtesten Deutschen dürfte er sehr weit vorne stehen: Claus Weselsky, der Chef der kleinen, aber mächtigen Lokführer-Gewerkschaft. Der 64-jährige Sachse hat die GdL schon durch etliche Tarifkonflikte gesteuert, und oft ging es dabei nicht ohne Streiks ab.

Streiks zur Weihnachtszeit? Ziemlich wahrscheinlich

Das kann nun auch wieder so kommen - sehr wahrscheinlich sogar. Auch die Vorweihnachtszeit und die Tage nach dem Fest könnten betroffen sein: Weselsky weiß, wie er die Bahn besonders heftig treffen kann - am besten durch Zugausfälle an den beliebtesten Reise-Tagen.

Worum geht es diesmal? Zunächst, ganz klassisch, um Geld und Arbeitszeit. Die GdL fordert 555 Euro pauschal mehr, etliche weitere Entgelt-Verbesserungen - vor allem aber eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden, und das bei vollem Lohnausgleich.

Die Vier-Tage-Woche als eigentliches Ziel dürfte der Knackpunkt sein

Dieses Ziel, das zeichnet sich jetzt schon ab, wird der Knackpunkt. Und momentan rasen da die oft zitierten zwei Züge tatsächlich mit vollem Tempo aufeinander zu, Einigung noch lange nicht in Sicht. Denn die Bahn-Spitze sagt, die GdL-Forderungen würden einen Kostensprung um 50 Prozent bedeuten - und lehnt die 35-Stunden-Woche vehement ab, weil die Gewerkschaft durch Schicht-Forderungen da die Vier-Tage-Woche für ihre Mitglieder anbahnen will.

Und da wird es für die Bahn brenzlig: In Zeiten des Arbeitskräftemangels müsste sie dann sehr viele Neueinstellungen auf den Weg bringen - kaum zu schaffen. Das würde in der Folge noch mehr Personalmangel bedeuten - und wohl noch mehr Ausfälle: Verheerend für ein Unternehmen, das vor allem von CSU-Verkehrsministern kaputtsaniert wurde. Andere Staaten - die Schweiz vor allem - investierten viel mehr in die Schiene, entsprechend besser sind die Angebote dort. Die DB verlor an Attraktivität - durch falsche Politik und falsche Konzernentscheidungen.

Weselskys Konkurrent ist der Nürnberger Martin Burkert

Dafür können Gewerkschaften nichts. Sie sind dafür da, für ihre Mitglieder möglichst viel rauszuholen. Die GdL kämpft aber nicht allein für Lokführer - sondern auch gegen die viel größere EVG, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, geführt vom Nürnberger Martin Burkert. Sie profitiert vom Tarifeinheitsgesetz: Die Bahn wendet in ihren Teilunternehmen nur je einen Tarifvertrag an - den, der mit der größeren Gewerkschaft ausgehandelt wurde, meist der EVG.

Es ist daher auch ein Kampf um den Erhalt der GdL, den Weselsky führt. Er hat nichts zu verlieren, es ist seine letzte Tarifrunde. Die Bahn insgesamt aber hat viel zu verlieren - durch Streiks, die weitere Kunden abspenstig machen. Die GdL sollte daher nicht überziehen. Die Bahn hat ein Angebot gemacht, das Basis für Gespräche sein kann. Und bei der Arbeitszeit? Müssen Kompromisse drin sein. Damit die Bahn attraktiv bleibt, attraktiver wird. Sonst braucht sie irgendwann viel weniger Lokführer.

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