Bidens Botschaft: "Es geht nicht nur um Amerika"

11.11.2020, 09:52 Uhr
Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat Deutschland und anderen europäischen Verbündeten eine Wiederbelebung der schwer angeschlagenen transatlantischen Beziehungen zugesagt.

© JOHANNES EISELE, AFP Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat Deutschland und anderen europäischen Verbündeten eine Wiederbelebung der schwer angeschlagenen transatlantischen Beziehungen zugesagt.

Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat Deutschland und anderen europäischen Verbündeten eine Wiederbelebung der schwer angeschlagenen transatlantischen Beziehungen zugesagt. Nach Telefonaten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem irischen Ministerpräsidenten Micheál Martin sagte er: "Zunächst einmal lasse ich sie wissen, dass Amerika zurück ist. Wir werden wieder im Spiel sein. Es geht nicht nur um Amerika." Damit grenzte er sich in aller Klarheit vom außenpolitischen Grundsatz "Amerika zuerst" ab, den der amtierende Präsident Donald Trump geprägt hat.

Biden will die USA wieder zu einem respektierten Partner machen

Trump hatte unter anderem mit einem Rückzug der USA aus der Nato gedroht, internationale Verträge wie das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt und Verbündete wie Deutschland immer wieder scharf angegriffen. Biden sagte, die Reaktionen, die er auf der ganzen Welt von Verbündeten und Freunden bekommen habe, seien positiv gewesen. Er sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, die USA wieder zu einem respektierten Partner zu machen.

Der 77-Jährige äußerte sich in seinem Heimatort Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Er war am Samstag aufgrund von Erhebungen und Prognosen von US-Medien zum Sieger erklärt worden. Trump weigert sich bislang, seine Niederlage einzugestehen. Er spricht - ohne bisher Beweise vorzulegen - von Wahlbetrug und klagt in mehreren US-Bundesstaaten.

Enge Zusammenarbeit mit Merkel

Biden lässt sich davon nicht irritieren und bereitet sich auf internationale Aufgaben vor. Zuerst telefonierte der Demokrat am Montag mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau, am Dienstag dann mit den europäischen Verbündeten. Merkel sagte er zu, die Beziehungen zu Deutschland zu stärken und eng mit ihr zusammenzuarbeiten, wie sein Team mitteilte. Zu den gemeinsamen Herausforderungen gehörten die Bekämpfung der Corona-Pandemie, der Klimaschutz und die Wiederbelebung der globalen Wirtschaft. "Er hat auch die Möglichkeit begrüßt, mit der EU an einer gemeinsamen Agenda zu arbeiten", hieß es in der Erklärung des Biden-Teams.

Nach Angaben des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert wünschte Merkel sich in dem Telefonat eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Beide seien sich einig gewesen, "dass der transatlantischen Zusammenarbeit angesichts der Vielzahl globaler Herausforderungen eine hohe Bedeutung zukommt". Merkel habe auch Kamala Harris ihre Glückwünsche übermittelt, die zur Vizepräsidentin gewählt worden war.

Beziehung auf dem Tiefpunkt

Die Kanzlerin hatte Biden bereits am Samstag schriftlich gratuliert. Am Montag bot sie ihm in einer öffentlichen Stellungnahme ein stärkeres deutsches Engagement in Sicherheitsfragen an. "Wir Deutsche und wir Europäer wissen, dass wir in dieser Partnerschaft im 21. Jahrhundert mehr eigene Verantwortung übernehmen müssen", sagte die CDU-Politikerin.

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren in vier Jahren Trump auf einen Tiefpunkt abgestürzt. Jetzt hofft die Bundesregierung auf eine deutliche Verbesserung. Allerdings sind sich die Koalitionspartner Union und SPD uneins, inwieweit man den Amerikanern beim Thema Sicherheit entgegenkommen soll. Es wird erwartet, dass Biden an der Forderung Trumps nach mehr Verteidigungsausgaben Deutschlands festhalten wird.

Die ersten vier Gesprächspartner in Europa dürfte Biden mit Bedacht ausgewählt haben. Mit Deutschland und Frankreich adressierte er die beiden bevölkerungsreichsten und wohl auch einflussreichsten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Trump hatte mit den Führungen beider Länder große Probleme, pflegte dafür sehr enge Beziehungen zur rechtskonservativen Regierung in Polen.


Neues Kabinett: Mit wem Biden regieren könnte


Mit Großbritannien wandte sich Biden an einen traditionell sehr engen Verbündeten der USA, der aber gerade erst aus der EU ausgetreten ist. Premier Johnson teilte auf Twitter mit, er habe 25 Minuten mit Biden telefoniert: "Ich freue mich darauf, die Partnerschaft zwischen unseren Ländern zu vertiefen und an gemeinsamen Zielen zu arbeiten - etwa den Klimawandel zu bekämpfen, die Demokratie zu stärken und besser aus der Pandemie herauszukommen."

Den Brexit und seine umstrittenen Pläne, mit einem Gesetz das geltende Abkommen darüber mit der EU auszuhebeln, ließ Johnson in seinem Statement unerwähnt. Es wird noch gerätselt, welche Auswirkung die US-Wahl für die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien haben könnte, die in der entscheidenden Phase sind.

Knackpunkt Nordirland

Ein Knackpunkt dabei ist die Nordirland-Frage. Biden hatte im Herbst verlauten lassen, der Frieden dort dürfe nicht zum "Opfer des Brexits" werden. Dass auch der irische Ministerpräsident zu den vier Europäern zählte, die er zuerst anrief, könnte ein Zeichen in diesem Sinne sein. Nach Angaben seines Teams thematisierte Biden, der selbst irische Wurzeln hat, in beiden Gesprächen mit Johnson und Martin das Friedensabkommen für Nordirland von 1998.

Mit den Auslandstelefonaten nur wenige Tage nach seinem Wahlsieg löste Biden ein Versprechen aus dem Wahlkampf ein. Da hatte er gesagt: "Das Erste, was ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen, dass Amerika zurück ist, Sie können auf uns zählen."

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