Corona-Demonstrationen: Nur eine lautstarke Minderheit

Alexander Jungkunz

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5.9.2020, 10:19 Uhr
Am vergangenen Wochenende demonstrierten in Berlin Corona-Kritiker gegen die Maßnahmen der Bundesregierung.

© Fabian Sommer, dpa Am vergangenen Wochenende demonstrierten in Berlin Corona-Kritiker gegen die Maßnahmen der Bundesregierung.

Ja, man darf, kann und muss die Corona-Politik der Regierung(en) diskutieren und kritisieren. Das geschieht ja auch laufend; Gerichte korrigieren Entscheidungen, Politiker lockern oder verschärfen Regelungen, die in den Bundesländern sehr unterschiedlich sind – allein dies übrigens spricht gegen die auf Demos verbreitete These der "Corona-Diktatur": eine ebenso maßlose wie unbegründete Kritik. Und die Ballung solcher allzu steilen Thesen auf diesen Kundgebungen ist ein krasser Widerspruch zur Behauptung der vielen friedlichen Teilnehmer, das seien doch Proteste aus der Mitte der Gesellschaft.

Nein, denn diese Mitte glaubt eben zum Beispiel keineswegs, dass Bill Gates und Trumps Corona-Berater Fauci "diese Pandemie seit Jahrzehnten geplant haben", wie es Robert F. Kennedy jr., der Neffe von John F. Kennedy, in einer wirren Rede in Berlin behauptete. Diese Mitte beobachtet Regierende, die es mit einer nie dagewesenen Herausforderung zu tun haben. Die dabei Fehler machen und denen, siehe die Tests in Bayern, auch heftige Pannen unterlaufen. Dennoch urteilt eine sehr breite Mehrheit, dass die Politik diese Krise gar nicht so schlecht bewältigt. Was der Blick auf die meisten anderen Staaten durchaus bestätigt.

Natürlich sind die Folgen des Lockdown für zu viele existenzbedrohend. Doch der Staat federt vieles finanziell ab, die Arbeitslosigkeit stieg bisher erstaunlich gering, die Wirtschaftsdaten fallen wohl weniger dramatisch aus als prognostiziert. Auch hier trifft es andere Staaten und dort vor allem die Schwächeren weit massiver. Aber in Berlin prangte vor dem Demo-Camp ein Plakat, das Angela Merkel, Jens Spahn, Markus Söder, den Virologen Christian Drosten oder die Journalistin Dunya Hayali in Sträflingskleidung zeigte samt dem Spruch "Sperrt sie endlich weg!" Der Initiator der Proteste will das Grundgesetz – das unter anderem solche Proteste erst ermöglicht – durch eine neue Verfassung ersetzen. Und nicht wenige feiern auf den Demos Putin zusammen mit Trump. Also den Kreml-Chef, der diktatorisch regiert, und den US-Präsidenten, der das versucht, wo immer es geht.

Echtes Gift - und das der Lüge

Beide verbreiten Gift. Es ist teils wohl echtes Nervengift für Regimekritiker wie Nawalny, es ist aber auch das Gift der Halbwahrheit, der Lüge und des Gerüchts. Der Kreml und das Trump-Lager streuen Fake News, sie befeuern Verschwörungstheorien und Horrorszenarien im Internet, die auch auf Corona-Demos präsentiert werden.

Gut, dass eine stabile, aber (manchmal zu) stille Mehrheit in Deutschland gefeit ist vor solchem Gift, weil sie den differenzierten, abwägenden Blick wagt. Umfragen zeigten gerade, dass weniger Deutsche anfällig sind für allzu einfache Wahrheiten von Populisten. Und dass die Regierung wachsendes Vertrauen genießt. Meldungen, die eine lautstarke Minderheit allerdings schlichtweg nicht glaubt.

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