Corona: Warum es in Wirklichkeit viel mehr Infizierte gibt

Alexander Jungkunz

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19.3.2020, 10:41 Uhr
Corona: Warum es in Wirklichkeit viel mehr Infizierte gibt

© Foto: Uwe Anspach/dpa

Auf jeden ermittelten Fall kommen laut Medizinern fünf bis zehn nicht erkannte. Denn das Coronavirus trifft nicht jeden gleich. Nur ein kleinerer Teil der Befallenen erkrankt so massiv, dass eine Krankenhausbehandlung erforderlich wird. Bei den anderen Infizierten zeigen sich lediglich leichte Symptome, die man für eine Erkältung halten kann – oder die Infektion zeigt gar keine spürbaren Folgen.


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Für Deutschland würde das aktuell bedeuten, dass es rund 40.000 bis 80.000 Infizierte geben dürfte – und die verbreiten das Virus natürlich auch dann weiter, wenn sie von ihm gar nichts merken. In der Regel tun sie das sogar viel stärker als diejenigen, die ihre Infektion spüren. Denn Kranke bleiben eher daheim oder sind in Behandlung bzw. in schlimmen Fällen in der Klinik – "nur" Infizierte dagegen nehmen am normalen Leben teil und sorgen für eine Verbreitung des Virus.

Diese unentdeckt Infizierten sind einerseits genau deshalb ein Problem, weil sie den Vormarsch des Virus extrem beschleunigen. Andererseits ist jede relativ milde Infektion auch gut. Denn die angesteckte Person ist danach immun gegen diese Art von Virus.

Nun gibt es einige Mediziner, die sich querlegen gegen die von allen renommierten Experten vertretene Mehrheitsmeinung, dass es buchstäblich notwendig ist, die Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verlangsamen – durch all die drastischen Schritte, die nun auf den Weg gebracht wurden und werden und ein Ziel haben: durch die weitestgehende Vermeidung sozialer Kontakte und Nähe dem Virus möglichst viele Chancen zur Infizierung zu rauben. Wolfgang Wodarg, aktuell auf vielen Kanälen und Sendern präsent, hält nichts von diesen Rezepten.

Wodargs "blanker Unsinn"

Auch unsere Redaktion wurde viele Male von Lesern und Usern angesprochen, was denn von den Thesen Wodargs zu halten ist. Sie lauten: Es braucht keine Quarantäne, Corona sei nichts anderes als eine Art von Grippe. Der 73-jährige Lungenfacharzt Wodarg war früher SPD-Gesundheitsexperte. Karl Lauterbach ist einer seiner Nachfolger – und empört über die Aussagen Wodargs. "Blanken Unsinn" rede dieser, sagt Lauterbach. Wodarg artikuliert, was viele Menschen empfinden – oder zumindest zu Beginn der Corona-Krise so empfanden: dass um das Virus ein "Hype" gemacht und Panik geschürt werde. Das Auftreten des Virus sei normal.


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Jene Mediziner, die uns derzeit täglich im Fernsehen und auf Podcasts die Corona-Lage erklären, sind entsetzt über Wodargs Behauptungen. Alexander Kekulé zum Beispiel verweist auf einen gravierenden Unterschied zur normalen Influenza: Die Sterblichkeitsrate ist zehnmal so hoch. Und es gibt, anders als bei der normalen Grippe, noch keinen Impfstoff.

Auch mit Statistiken gehe Wodarg fahrlässig um: Er blicke auf die bisherigen Toten-Zahlen und stelle fest, dass die gar nicht drastisch gestiegen seien – was aktuell noch stimme. Doch da blende er aus, dass es aufgrund des starken Wachstums des Virus in einigen Wochen einen sprunghaften Anstieg der Zahl der Infizierten und auch der Todesopfer geben werde. Aktuell verdoppelt sich die Zahl der Infizierten in Deutschland alle 2,3 Tage.

Das Reiskorn und das Schachbrett

Denn ein Virus verbreitet sich so wie die Reiskörner in jener berühmten Geschichte von jenem Weisen, der das Schachspiel erfand. Und dem darüber begeisterten König, der ihm einen Wunsch erfüllen wollte. Der lautete so: auf das erste Feld eines Schachbretts ein Reiskorn, aufs zweite zwei, aufs dritte vier, aufs vierte acht – immer das Doppelte. Klingt bescheiden. Führt aber auf dem 64. Feld zu 18.446.744.073.709.551.616 (18 Trillionen) Reiskörnern. . .

Wodarg geht noch weiter: Er vermutet hinter der "Corona-Panik" auch Geschäftsinteressen von Kollegen und der Pharma-Industrie. Das klingt nach ganz großer Verschwörungstheorie – und findet in den sozialen Netzwerken Beifall. "Bargeld abschaffen, Zwangsimpfung, Inhaftierung (Quarantäne) usw. – alles ein Schritt in Richtung NWO (Neue Weltordnung)", kommentiert da ein User. Dabei haben Quarantäne und soziale Distanz vor allem einen Zweck: zu verhindern, dass es beim Coronavirus zu einer Ausbreitung kommt wie beim Schachbrett und dem Reiskorn.

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