Das bedeutet der Brexit für die Briten

29.3.2017, 08:57 Uhr
Pro: Die Brexit-Befürworter spotten über die wirtschaftliche Misere in etlichen der Euro-Staaten. Im Europaparlament erklärte Ukip-Chef Nigel Farage im Juli 2015: "Das europäische Projekt beginnt gerade zu sterben." Die Staatsverschuldung Griechenlands sei trotz der Rettungs-Milliarden von 100 auf 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Kontra: Die Staatsverschuldung Großbritanniens, das nicht dem Euro-Raum angehört, lag 2015 aber auch bei 91,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und damit einen halben Prozentpunkt höher als im Euroraum (90,7).
1 / 6

Geht es den Briten ohne Euro besser?

Pro: Die Brexit-Befürworter spotten über die wirtschaftliche Misere in etlichen der Euro-Staaten. Im Europaparlament erklärte Ukip-Chef Nigel Farage im Juli 2015: "Das europäische Projekt beginnt gerade zu sterben." Die Staatsverschuldung Griechenlands sei trotz der Rettungs-Milliarden von 100 auf 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Kontra: Die Staatsverschuldung Großbritanniens, das nicht dem Euro-Raum angehört, lag 2015 aber auch bei 91,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und damit einen halben Prozentpunkt höher als im Euroraum (90,7). © Andy Rain/dpa

Pro: Brexit-Befürworter wie Ukip-Chef Nigel Farage (im Bild) argumentieren, ohne die EU könnten die Briten unabhängig internationale Handelsabkommen mit China, Indien und den USA verfolgen. Farage schwebt eine Vereinbarung mit der EU vor, die ähnlich wäre zu der mit Norwegen. Die Briten sollen auch so Zugang zum EU-Binnenmarkt haben, aber nicht an die europäischen Gesetze zur Landwirtschaft, Justiz oder dem Inneren gebunden sein. Kontra: Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat bei einem Treffen mit dem damaligen britischen Premier David Cameron in London jedoch überraschend scharf davor gewarnt, wenn Großbritannien aus der EU ausscheide, werde es auf Sicht kein bilaterales Handelsabkommen wie das gerade mit der EU verhandelte TTIP-Abkommen zwischen den USA und Großbritannien geben. Das Land müsse sich dann am Ende der Schlange anstellen. Bei einem Brexit müssten Großbritannien rund 50 EU-Freihandelsverträge mit Drittstaaten neu verhandeln. Insgesamt wären nach Schätzungen rund 80.000 Gesetzesakte nötig. Bei einem Brexit drohen die britischen Exporte deutlich stärker zu leiden als die Importe ins Land. Der Export von Gütern und Dienstleistungen in andere EU-Staaten macht 15 Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts aus. Exporte der EU-Staaten auf die Insel tragen dagegen nur 2,5 Prozent zu deren Bruttoinlandsprodukt bei.
2 / 6

Blüht der Handel ohne die EU auf?

Pro: Brexit-Befürworter wie Ukip-Chef Nigel Farage (im Bild) argumentieren, ohne die EU könnten die Briten unabhängig internationale Handelsabkommen mit China, Indien und den USA verfolgen. Farage schwebt eine Vereinbarung mit der EU vor, die ähnlich wäre zu der mit Norwegen. Die Briten sollen auch so Zugang zum EU-Binnenmarkt haben, aber nicht an die europäischen Gesetze zur Landwirtschaft, Justiz oder dem Inneren gebunden sein. Kontra:Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hat bei einem Treffen mit dem damaligen britischen Premier David Cameron in London jedoch überraschend scharf davor gewarnt, wenn Großbritannien aus der EU ausscheide, werde es auf Sicht kein bilaterales Handelsabkommen wie das gerade mit der EU verhandelte TTIP-Abkommen zwischen den USA und Großbritannien geben. Das Land müsse sich dann am Ende der Schlange anstellen. Bei einem Brexit müssten Großbritannien rund 50 EU-Freihandelsverträge mit Drittstaaten neu verhandeln. Insgesamt wären nach Schätzungen rund 80.000 Gesetzesakte nötig. Bei einem Brexit drohen die britischen Exporte deutlich stärker zu leiden als die Importe ins Land. Der Export von Gütern und Dienstleistungen in andere EU-Staaten macht 15 Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts aus. Exporte der EU-Staaten auf die Insel tragen dagegen nur 2,5 Prozent zu deren Bruttoinlandsprodukt bei. © VINCENT KESSLER/REUTERS

Pro: Der Finanzplatz London hat eine überragende Bedeutung für die britische Wirtschaft. Die britische Finanzindustrie beschäftigt rund eine Million Menschen und erwirtschaftet etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Brexit-Verfechter halten das Gerede von einer drohenden Kapitalflucht weg vom Finanzplatz London für Panikmache. Wegen der niedrigen Steuersätze würden ausländische Banken weiter in Großbritannien bleiben. Kontra: Kritiker der Austrittspläne warnen dagegen vor einer Massenflucht von Banken und anderen Finanzinstituten aus London. Nach einer Expertise der Citigroup machte ausländisches Kapital 2011 mit 1,2 Billionen Dollar schon 50 Prozent des BIPs im Königreich aus, so viel wie in keinem anderen der zehn größten EU-Länder. Viele Banken, warnen Gegner eines EU-Austritts, würden auf die europäischen Finanzplätze abwandern, um weiter ungehinderten Zugang zu diesem Markt zu haben. Große amerikanische Geldhäuser bereiten sich für den Brexit-Fall angeblich bereits auf eine Verlagerung in die irische Hauptstadt Dublin vor.
3 / 6

Was passiert mit dem wichtigen Finanzsektor?

Pro:Der Finanzplatz London hat eine überragende Bedeutung für die britische Wirtschaft. Die britische Finanzindustrie beschäftigt rund eine Million Menschen und erwirtschaftet etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Brexit-Verfechter halten das Gerede von einer drohenden Kapitalflucht weg vom Finanzplatz London für Panikmache. Wegen der niedrigen Steuersätze würden ausländische Banken weiter in Großbritannien bleiben. Kontra: Kritiker der Austrittspläne warnen dagegen vor einer Massenflucht von Banken und anderen Finanzinstituten aus London. Nach einer Expertise der Citigroup machte ausländisches Kapital 2011 mit 1,2 Billionen Dollar schon 50 Prozent des BIPs im Königreich aus, so viel wie in keinem anderen der zehn größten EU-Länder. Viele Banken, warnen Gegner eines EU-Austritts, würden auf die europäischen Finanzplätze abwandern, um weiter ungehinderten Zugang zu diesem Markt zu haben. Große amerikanische Geldhäuser bereiten sich für den Brexit-Fall angeblich bereits auf eine Verlagerung in die irische Hauptstadt Dublin vor. © Andy Rain/dpa

Pro: Brexit-Befürworter finden, dass die Briten viel zu viel Geld nach Brüssel überweisen. Die Briten seien nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Nettozahler der EU. Besonders die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) halten die Brexit-Anhänger für verschwenderisch und teuer. Dieses Geld, argumentieren sie, wäre besser investiert in die britische Industrie und Forschung. Kontra: Das Argument, die Briten zahlten zu viel, ist zumindest stark überspitzt. Aufgrund des von der damaligen britschen Premierministerin Margaret Thatcher durchgesetzten Britenrabatts zahlt Großbritannien ohnehin deutlich weniger in die EU-Kasse, als dies der wirtschaftlichen Stärke und der Größe der Bevölkerung entspräche. 2014 lag der Nettozuschuss der Briten (64 Millionen Einwohner) bei gerade mal 4,9 Milliarden Euro und damit nur geringfügig über dem der Niederländer (4,7 Milliarden Euro; 17 Millionen Enwohner). Pro Kopf und Jahr zahlt jeder Brite damit netto 73 Euro in die EU-Kasse. Auch auf die Landwirte kämen wohl schwierige Zeiten zu. Die EU-Subventionen machen derzeit bis zu 50 Prozent ihres Einkommens aus. Eine Studie des Londoner Think Tanks Agra Europe warnte, es sei unwahrscheinlich, dass die britische Regierung bei einem Brexit diese Zuschüsse voll ausgleichen würde.
4 / 6

Zahlen die Briten zu viel in die EU-Kasse?

Pro:Brexit-Befürworter finden, dass die Briten viel zu viel Geld nach Brüssel überweisen. Die Briten seien nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Nettozahler der EU. Besonders die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) halten die Brexit-Anhänger für verschwenderisch und teuer. Dieses Geld, argumentieren sie, wäre besser investiert in die britische Industrie und Forschung. Kontra:Das Argument, die Briten zahlten zu viel, ist zumindest stark überspitzt. Aufgrund des von der damaligen britschen Premierministerin Margaret Thatcher durchgesetzten Britenrabatts zahlt Großbritannien ohnehin deutlich weniger in die EU-Kasse, als dies der wirtschaftlichen Stärke und der Größe der Bevölkerung entspräche. 2014 lag der Nettozuschuss der Briten (64 Millionen Einwohner) bei gerade mal 4,9 Milliarden Euro und damit nur geringfügig über dem der Niederländer (4,7 Milliarden Euro; 17 Millionen Enwohner). Pro Kopf und Jahr zahlt jeder Brite damit netto 73 Euro in die EU-Kasse. Auch auf die Landwirte kämen wohl schwierige Zeiten zu. Die EU-Subventionen machen derzeit bis zu 50 Prozent ihres Einkommens aus. Eine Studie des Londoner Think Tanks Agra Europe warnte, es sei unwahrscheinlich, dass die britische Regierung bei einem Brexit diese Zuschüsse voll ausgleichen würde. © © Toby Melville / Reuters

Pro: Mehr als 300 britische Unternehmer haben sich für ein Ausscheiden ihres Landes aus der EU ausgesprochen. In einem offenen Brief schreiben sie, die "Brüsseler Bürokratie hemmt jeden einzelnen der 5,4 Millionen britischen Betriebe, obwohl nur eine kleine Minderheit tatsächlich Geschäfte mit der EU macht". Das Schreiben wurde allerdings nicht mit Zahlen untermauert. Kontra: Die Befürworter eines Verbleibs, allen voran der damalige Premier Cameron selbst, warnen vor einer Rezession im Falle des Brexit. Jeder private Haushalt müsse jährlich mit einem Verlust von 4.300 Pfund (5.660,13 Euro) rechnen, errechnete das Finanzministerium. Auch eine Studie der OECD bestätigt, dass ein Brexit jeden Briten um ein Monatsgehalt ärmer machen würde. Laut einer Analyse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC droht Großbritannien bis 2020 der Verlust von 100 Milliarden Pfund Wirtschaftsleistung. Bis zu 950.000 Jobs seien in Gefahr. Britische Gewerkschafter stellen sogar einen Verlust von bis zu vier Millionen Arbeitsplätzen in Aussicht. Besonders Stellen in der Exportwirtschaft, der Auto- und Chemiebranche wären gefährdet.
5 / 6

Welche finanziellen Auswirkungen hätte ein Brexit?

Pro:Mehr als 300 britische Unternehmer haben sich für ein Ausscheiden ihres Landes aus der EU ausgesprochen. In einem offenen Brief schreiben sie, die "Brüsseler Bürokratie hemmt jeden einzelnen der 5,4 Millionen britischen Betriebe, obwohl nur eine kleine Minderheit tatsächlich Geschäfte mit der EU macht". Das Schreiben wurde allerdings nicht mit Zahlen untermauert. Kontra:Die Befürworter eines Verbleibs, allen voran der damalige Premier Cameron selbst, warnen vor einer Rezession im Falle des Brexit. Jeder private Haushalt müsse jährlich mit einem Verlust von 4.300 Pfund (5.660,13 Euro) rechnen, errechnete das Finanzministerium. Auch eine Studie der OECD bestätigt, dass ein Brexit jeden Briten um ein Monatsgehalt ärmer machen würde. Laut einer Analyse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC droht Großbritannien bis 2020 der Verlust von 100 Milliarden Pfund Wirtschaftsleistung. Bis zu 950.000 Jobs seien in Gefahr. Britische Gewerkschafter stellen sogar einen Verlust von bis zu vier Millionen Arbeitsplätzen in Aussicht. Besonders Stellen in der Exportwirtschaft, der Auto- und Chemiebranche wären gefährdet. © © Hannah Mckay / Reuters

Pro: Brexit-Anhänger glauben, dass sich der Flüchtlingsstrom aus den Krisengebieten des Mittleren Ostens und aus Afrika nur bei einem Austritt aus der EU begrenzen lassen wird. Kontra: Gegner argumentieren gerade andersherum. Sie sagen, die Flüchtlingsströme ließen sich so keinesfalls aufhalten. Die Grenzkontrollen würden aber vom französischen Calais direkt vor die britische Haustür, nach Dover, wechseln.
6 / 6

Kommen bei einem Austritt weniger Flüchtlinge ins Land?

Pro:Brexit-Anhänger glauben, dass sich der Flüchtlingsstrom aus den Krisengebieten des Mittleren Ostens und aus Afrika nur bei einem Austritt aus der EU begrenzen lassen wird. Kontra: Gegner argumentieren gerade andersherum. Sie sagen, die Flüchtlingsströme ließen sich so keinesfalls aufhalten. Die Grenzkontrollen würden aber vom französischen Calais direkt vor die britische Haustür, nach Dover, wechseln. © JUSTIN TALLIS/AFP Photo