Debatte um Meinungsfreiheit: CDU-Chefin eckt immer wieder an
28.5.2019, 13:08 UhrDie CDU-Chefin erntete für ihre Äußerungen zu den Wahlempfehlungen von Youtubern mehr Kritik denn je. Bei ihrer Pressekonferenz hatte AKK darüber nachgedacht, ob es denn in Ordnung sei, wenn junge Influencer(innen) mit Millionen von Anhängern kurz vor einer Wahl von der Stimmabgabe für bestimmte Parteien abrieten. Wörtlich sagte sie: "Und die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache, was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein." Nach diesem Satz ging es dann bei Twitter, auf Facebook und in anderen Sozialen Netzwerken so richtig los. Wie es im Internet nun mal so ist, gab es rasch den Hashtag #AKKRuecktritt.
Das hatte zwar keinerlei realen Hintergrund, denn in der CDU gibt es nicht die geringsten Anzeichen, die erst vor einem halben Jahr gewählte Vorsitzende abzulösen. Aber zumindest Meinungsmacher im Netz sind auf Kramp-Karrenbauer gar nicht mehr gut zu sprechen. Es bleibe "der verheerende Eindruck, die CDU-Vorsitzende wolle den Bürgern den Mund verbieten", schrieb einer. "Das ist also das wahre, reaktionäre Gesicht der CDU", meinte ein anderer.
Diskussion um Zensur
In der Folge wurde heftig darüber diskutiert, ob denn AKK nun eine Art Zensur einführen wolle oder nur mal auf ein Problem hingewiesen habe. Auch die politische Konkurrenz stürzte sich darauf. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte: "Niemand würde sich aufregen, wenn ein Schauspieler oder ein Sportler eine Wahlempfehlung abgibt. Wenn Frau Kramp-Karrenbauer jetzt ernsthaft plant, irgendwie gesetzlich gegen Youtuber vorzugehen, wird das mit meiner Partei ganz sicher nicht zu machen sein."
Und FDP-Chef Christian Lindner twitterte "Das kann ich kaum glauben. Wir brauchen im Gegenteil mehr offene Debatten, auch in Soziale Medien". Die CDU-Vorsitzende selbst versuchte, die Debatte so schnell wie möglich wieder einzufangen. Es sei "absurd, mir zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen". Dazu sei die Meinungsfreiheit ein viel zu hohes Gut. Man müsse aber sehr wohl darüber reden, welche "Regeln" im Wahlkampf gelten sollen.
Die @CDU zieht Schlüsse aus dem Wahlergebnis der #Europawahlen2019 - @akk erwägt die Regulierung von Meinungsäußerungen vor Wahlen... Das kann ich kaum glauben. Wir brauchen im Gegenteil mehr offene Debatten, auch in Sozialen Medien. CL #Meinungsfreiheit https://t.co/QCLwBwR0au
— Christian Lindner (@c_lindner) 27. Mai 2019
Allerdings fragen sich inzwischen doch etliche Christdemokraten, warum ihre Parteichefin häufig mit ihren Äußerungen so viel Widerspruch oder Spott provoziert. Ist es pure Berechnung, um eine konservative Klientel zu bedienen? Das würde die CDU mittelfristig etwas aus der Mitte des politischen Spektrums rücken.
Oder rutscht ihr manches Mal etwas heraus, was sie in der Form gar nicht sagen wollte? Das würde bedeuten, dass ihre öffentlichen Reden stets ein enormes Risiko darstellen. Die Liste der umstrittenen Zitate ist jedenfalls lang. Vor längerer Zeit schon hatte sie die gleichgeschlechtliche Ehe in einem Atemzug mit Inzest und Polygamie gleichgestellt. Im Fasching trat sie als "Putzfrau Gretel" auf und erntete nach einem Witz über das "dritte Geschlecht" ("Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder noch sitzen müssen") heftige Proteste.
Deutlicher Unterschied zu Merkel
Sie habe sich auf billige Weise über trans- und intersexuelle Menschen lustig gemacht, sagten die Kritiker. Und dann kam da noch eine Kleinigkeit hinzu, die für eine Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union etwas peinlich ist. Sie sprach von den "sieben Plagen", von denen die Bibel spreche und die es "damals in Ägypten" gegeben habe. Sie wurde – mal mehr, mal weniger höflich – darauf hingewiesen, dass es zehn Plagen gewesen seien.
Nämlich Blut, Frösche, Stechmücken, Stechfliegen, Viehpest, Schwarze Blattern, Hagel, Heuschrecken, Finsternis und Tod aller Erstgeborenen. Vorgängerin Angela Merkel wäre so etwas vermutlich nicht passiert. Nicht unbedingt, weil sie in einem Pfarrhaus aufgewachsen ist, sondern wegen der Sprödheit und Nüchternheit ihres öffentlichen Auftretens. Sie wählt selten originelle Vergleiche, spitzt so gut wie nie dramatisch zu – und eckt damit auch wesentlich weniger an. Der Preis dafür ist manchmal eine gewisse Langeweile beim Zuhören. Letztlich ist es aber wohl für eine Spitzenpolitikern der risikofreiere Weg.
Dieses Video des Youtubers Rezo hatte vor den Wahlen die Debatte ausgelöst:
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