Migration
Debatte um Reform der Asylpolitik: Ramelow für Spurwechsel
5.5.2023, 17:06 UhrVor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern ist eine Debatte über mögliche Reformen in der Migrationspolitik entstanden. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bekräftigte am Freitag seine Forderung nach einem Spurwechsel für Asylbewerber. "Ich möchte einem bestimmten Kreis von Menschen, die sowieso da sind, die Möglichkeit geben, den Asylantrag zurückzunehmen, um ihnen im Gegenzug eine Bleibeperspektive zu geben - so, als wenn wir sie als Arbeitsmigranten angeworben hätten", sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In Thüringen seien das 9500 junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, die schon seit Jahren im Freistaat lebten. "Um die geht es mir", sagte Ramelow.
Ramelow sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Menschen müssten in Lohn und Brot kommen. "Diese Menschen sind seit drei Jahren da und mit denen ist seit drei Jahren etwas passiert", sagte Ramelow. Es sei dann bereits Geld für Ausbildungsgänge, Kurse oder soziale Betreuung ausgegeben worden. "Es kann doch nicht sein, dass wir denen im Anschluss ein Arbeitsverbot geben." Teils würden diese Migranten am Arbeiten gehindert. Ramelow sagte, er nenne dies "die Asylfalle".
Wenn jemand berechtigt sei, per Arbeitsmigration angeworben zu werden, "dann brauche ich ihn nicht vorher abzuschieben", sagte Ramelow. Zunächst müsse das Gesetz geändert werden. "Der Asylantrag muss zurückgenommen werden dürfen", sagte Ramelow. Ist der Asylantrag zurückgenommen, müsse geprüft werden, ob der Betroffene sich etwas habe zu Schulden kommen lassen und die "Qualifikationsanforderungen, die man ihm angeboten hat, auch alle wahrgenommen hat", sagte Ramelow. In einem dritten Schritt könne es dann eine Arbeitsmigrationserlaubnis geben.
Unterstützung erhielt Ramelow vom Koalitionspartner. Der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Thomas Hartung, sagte, die Anerkennung sei die "logische Folge eines fast jahrzehntelangen unbescholtenen Aufenthaltes in Deutschland". Er betonte: "Es spricht nichts dagegen, Menschen mit Migrationshintergrund, die aus eigenen Kräften für ihren Unterhalt sorgen, anzuerkennen", so Hartung.
Ablehnend meldeten sich die Fraktionen von CDU und AfD sowie die Gruppe der FDP zu Wort, die alle in der Opposition sind. FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich bezeichnete Ramelows Vorstoß als "Nebelkerzen-Politik". Der AfD-Abgeordnete Stefan Möller warf dem Regierungschef vor, "die Asylverwaltung auf Kosten der Bürger entlasten" zu wollen. CDU-Fraktionschef Mario Voigt warnte davor, "Freifahrtscheine" zu verteilen.
Am kommenden Mittwoch ist ein Bund-Länder-Treffen im Kanzleramt geplant, bei dem es vor allem um die Finanzierung der Flüchtlingskosten gehen soll.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sorgte mit Vorschlägen für Änderungen in der europäischen Flüchtlingspolitik für Kritik in Thüringen. "Das Asylrecht darf nicht auf Kosten der Schutzbedürftigen reformiert werden", warnte Thüringens Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa. Faeser hatte zuvor dem "Handelsblatt" gesagt: "Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen." Es werde in Brüssel über Verfahren verhandelt, die noch an der Grenze und nicht erst innerhalb der EU zu raschen Entscheidungen in wenig aussichtsreichen Asylverfahren führen sollen.
Thüringens Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sagte zu Faesers Plänen: "Verpflichtende Asylverfahren an den Außengrenzen der EU führen nur noch zu mehr Verhaftungen von Schutzsuchenden und Brutalität gegen Geflüchtete."
Die Thüringer Linke-Fraktion machte klar, dass sie eine "Einschränkung des Asylrechts durch eine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer" ablehne. "Die Pläne der Ampel-Koalition, Asylverfahren verstärkt an den EU-Außengrenzen durchzuführen, sind ein erneuter Tiefpunkt in der seit Jahrzehnten immer weiter voranschreitenden Aushöhlung des individuellen Rechts auf Asyl", sagte die migrationspolitische Sprecherin der Thüringer Linke-Fraktion, Katharina König-Preuss.