Der blinde Fleck der Medizin

31.05.2008, 00:00 Uhr
Der blinde Fleck der Medizin

© Siemens

Manches ist scheinbar naiv, aber Bircher hat ziemlich lange darüber nachgedacht. Zahllose Grafiken wirft er bei seinem Vortrag in Erlangen, veranstaltet von Siemens-Forum und Medical Valley Bayern, an die Wand, mit vielen Pfeilen, Kreisen und Quadraten. Sie beschreiben gesellschaftliche Systeme, Parlament, Regierung, Verwaltung und eben die diversen medizinischen Einrichtungen.

Die Wirtschaft wird vom Geld gesteuert, die Justiz vom Gesetz, die Forschung von Wissenschaftlern - aber was lenkt die Medizin? Der 75-Jährige sieht da einen blinden Fleck, den er ausfüllen will. «Meikirch-Modell« nennt er die Idee nach seinem Wohnort bei Bern, und sie hat schon einige prominente Anhänger - darunter Jörg-Dietrich Hoppe, den Präsidenten der deutschen Bundesärztekammer.

In der Medizin muss sich alles um das Wohlbefinden der Patienten drehen, das ist der Gedanke. Eine Grafik zeigt ziemlich viele Vierecke, in denen Worte stehen wie Potenziale, Ansprüche, Eigenverantwortung, Alter und Kultur. Das sind die Grundpfeiler, um die es den Ärzten gehen soll - koste es, was es wolle: «Der Sparzwang in der Medizin ist ideologisch und nicht sachlich begründet«, schiebt er nach. Es soll bloß eine Aussage sein, aber es wirkt wie eine Provokation.

Eigentlich will Johannes Bircher nicht über das Geld reden, aber das geht letztlich nicht. So erzählt er, dass in den USA zwischen 1970 und 2000 35000 Dollar pro Kopf ausgegeben wurden, um die Zahl der Herzinfarkte zu verringern. Und dass der volkswirtschaftliche Nutzen bei 95000 Dollar pro Kopf lag.

Vorbild in den USA

Ausgerechnet im Mutterland des Kapitalismus liegt auch sein Vorbild für den Umgang mit dem Geld: An der Mayo-Klinik in Rochester bekommen alle Ärzte ein ziemlich gutes Festgehalt. Wie viele Patienten sie behandeln, spielt keine Rolle - nur möglichst gut muss es sein. Dennoch liegen die Klinikkosten unter dem Strich deutlich unter denen vergleichbarer US-Einrichtungen.

Ein bisschen klingt das wie im Märchen. Und doch wünscht sich mancher der Zuhörer, Johannes Bircher hätte recht.