"Peinlich" und "urkomisch"
"Der Krieg, den wir versuchen zu beenden" - Russischer Außenminister wird von Publikum ausgelacht
05.03.2023, 17:21 Uhr
Der amtierende russische Außenminister Sergej Lawrow war bereits zu Zeiten, als die Sowjetunion noch existierte, Botschaftsrat bei den Vereinten Nationen. Später bekleidete er das Amt des Direktors der Abteilung für internationale Organisationen und Globale Probleme. Er vertrat Russland im UN-Sicherheitsrat - kurzum: Lawrow galt als mit allen Wassern gewaschenes Polit-Schwergewicht. Auch wenn er sich "zusammen mit Putin immer mehr in einen Anti-Westler verwandelt" hat, wie Russland-Experte Andrej Gurkow gegenüber der ARD erklärte und sich den Vorwurf gefallen lassen muss, eine Marionette seines Präsident zu sein - eines war Lawrow bislang jedoch ganz sicher nicht: "Peinlich" und "urkomisch". Quasi ein Comedian, über den man lacht.
Mit einer Aussage auf einer Podiumsdiskussion in Indien erweiterte der russische Außenminister nun seine berufliche Laufbahn - und ging viral.
Indien bemüht sich um politische Neutralität
Indien gibt sich im Zusammenhang mit dem russischen Überfall auf die Ukraine alle Mühe, eine neutrale Position zu wahren. Kein Wunder, das Land profitiert von günstigen Öllieferungen, zudem stammt laut Tagesspiegel ein Großteil der Ausrüstung der indischen Streitkräfte aus Russland.
Von Donnerstag bis Samstag fand in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi der Raisina Dialogue statt. Wie die Zeit berichtet, eine Art Münchner Sicherheitskonferenz auf indisch. In Europa erregte die Konferenz in der Vergangenheit meist wenig Aufmerksamkeit, dieses Jahr sieht die Sache da schon anders aus. Dafür sorgte kein geringerer als der russische Außenminister selbst.
Propaganda und verhaltener Applaus
Neutralität hin oder her: Dass man politische sowie wirtschaftliche Interessen vertreten kann, ohne den Blick für die Wahrheit zu verlieren, das stellte das indische Publikum während des Raisina Dialogue unter Beweis. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion stellten Moderator und Zuschauer dem russischen Außenminister Fragen zum Ukraine-Krieg. Rund eine halbe Stunde lang salbaderte Lawrow in üblicher Propaganda-Manier vor sich hin, Russland sei von der Nato bedroht worden und setze sich nur zur Wehr, Russland habe jahrhundertealte Ansprüche auf die Ukraine etc. pp. Als er den Irakkrieg als bezeichnend für die Bigotterie der Amerikaner anführt, erntet er bisweilen auch verhaltenen Applaus.
Lawrow löst Gelächter aus
Der bedingte Zuspruch von Seiten des Publikums verkehrt sich dann kurz vor Ende der Diskussion allerdings ins exakte Gegenteil. "Wissen Sie, der Krieg, den wir versuchen zu beenden und der gegen uns angezettelt wurde, in dem die Ukraine benutzt wurde..." Und weiter kommt Lawrow erstmal nicht.
Nachdem das beißende Gelächter aus dem Auditorium wieder abschwillt, führt Lawrow zunächst stockend fort, der Krieg habe die Politik Russlands beeinflusst, auch die Energiepolitik. Russland werde sich niemals mehr auf Partner im Westen verlassen.
This is hilarious. And embarrassing. Russian Foreign Affairs Minister Lavrov says "the war we are trying to stop was launched against us" and the Indian audience - supposedly sympathetic - audibly laughs. Russian "diplomats" think that the lies they use to feed Putin's fantasies… https://t.co/TyUV8WvYQb pic.twitter.com/ue5I61ZvuO
— Konstantin Sonin (@k_sonin) March 3, 2023
Neben der bitteren unfreiwilligen Komik war an Lawrows Äußerung ebenfalls bemerkenswert, dass der russische Außenminister den Krieg erstmal als solchen bezeichnete, wie das zdf schreibt. Bislang vermied der Kreml den Ausdruck Krieg und sprach stattdessen von einer "militärischen Spezialoperation".
"Peinlich und "urkomisch"
In den sozialen Netzwerken ging die Szene viral. Als "peinlich" und "urkomisch" bezeichnet Konstantin Sonin, einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler Russlands, den Auftritt Lawrows in seinem Tweet. "Russische 'Diplomaten' denken, dass die Lügen, mit denen sie Putins Fantasien schüren (um Karriere zu machen), von irgendwem als etwas anderes als Lügen aufgefasst werden könnten.", prangert der Ökonom an und bezieht sich damit auf ein Netz von korrupten Ja-Sagern, die den russischen Präsidenten umgäben: "Es gab niemanden in seinem Umfeld, der gesagt hätte, dass der Angriff auf die Ukraine auf Basis seiner Fantasien verrückt ist. Lawrow ist einer dieser vollkommen korrupten Menschen, die hätten wissen müssen, dass dies ein Desaster wird, aber entweder nichts davon wusste oder zu korrupt war, um es zu sagen.", schreibt er in einem anderen Tweet.
Am Ende der circa 30-minütigen, durch die Nachrichten-Website Firstpost ausgestrahlten Podiumsdiskussion verabschiedet sich der Moderator von Lawrow und fragt ihn zum Abschluss, ob er versprechen könne, dass das nächste Gespräch in weniger gefährlichen Zeiten stattfinden werde. "Die Amerikaner werden Ihnen sicherlich einige Fragen vorschlagen, die Sie nutzen können", antwortet Lawrow kryptisch, steht auf, schmunzelt und verlässt unter Lachern die Bühne.
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