Von Haushalt bis Wahlrecht
Die roten Roben regieren mit: Wie das Verfassungsgericht die Politik auf Trab hält
30.11.2023, 10:50 UhrEines lernt man in der Politik ganz schnell: Verliere öffentlich nie ein schlechtes Wort über das Bundesverfassungsgericht. Auch wenn du noch so sauer bist, lass es dir nicht anmerken. Denn wer Kritik übt an den Entscheidungen des höchsten Gerichts, sieht nach schlechtem Verlierer aus. Abgesehen davon, dass ein Verfassungsorgan das andere respektieren soll.
Trotzdem war nach dem Haushaltsurteil in Berlin hinter vorgehaltener Hand zu hören, da hätten sich die Richter(innen) in den roten Roben schon ziemlich stark in die aktuelle Politik eingemischt, indem sie einen Etat rückwirkend (2023), einen unmittelbar bevorstehenden (2024) und natürlich auch alle weiteren massiv korrigieren.
Natürlich sagten das in erster Linie Ampel-Vertreter. Denn das ist immer so: Wer in Karlsruhe „gewonnen“ hat, der jubiliert über die weise Institution Bundesverfassungsgericht. Wer verloren hat, der grummelt in sich hinein.
Wahl-Urteil folgt noch
Beim aktuellen Wahlrechtsurteil des höchsten Gerichts blieb es eher ruhig, was nicht überraschend ist. Es bezog sich auf die Reform in den Zeiten der Großen Koalition und damit auf die vergangene Wahl 2021. Die Auswirkungen: quasi Null. Anders wird es sein, wenn sich das Gericht mit der hochumstrittenen Reform der Ampel befasst, die für die nächste Bundestagswahl relevant wäre.
Über jede einzelne Entscheidung aus Karlsruhe kann man diskutieren. Aber die inzwischen 72-jährige Historie des Bundesverfassungsgerichts ist eine grandiose Erfolgsgeschichte. Die Träger der roten Roben ließen sich von der Politik nicht instrumentalisieren. Sie fällten erkennbar unabhängige, manchmal auch widerborstige Urteile.
Im Gegensatz zum Supreme Court der USA zerfällt das Verfassungsgericht nicht klar erkennbar in Konservative und Progressive, obwohl in Deutschland die Mitglieder ebenfalls von der Politik bestimmt werden und zum Teil sogar Politiker waren.
Unser System der Richterwahl ist offensichtlich besser geeignet als das in Amerika, wo der jeweilige Präsident seine Kandidaten durchdrücken kann. Hierzulande nehmen die Parteien schon im Vorfeld Rücksicht darauf, wer denn mehrheitsfähig sein könnte.
Die Mehrheit begrüßte den Stopp der Buchungstricks
Auch wenn es die Ampel beim Haushaltsurteil nicht wahrhaben wollte: Die deutsche Öffentlichkeit begrüßte mehrheitlich den Stopp der Buchungstricks. SPD, Grüne und FDP sollten nicht den Versuch machen, bei der Korrektur erneut die Grenze des Verfassungsgemäßen auszuloten.
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