Diese Oberpfälzerin wurde jetzt zur Bundesrichterin gewählt
9.7.2020, 05:21 UhrGesehen hat sie die berühmten, scharlachroten Roben schon häufig, arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin doch einige Jahre dem VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zu, als "HiWi", wie sie selbst formuliert, war sie von 2010 bis 2013 in Karlsruhe. Nun hat die Oberpfälzerin, die 2002 als Amtsrichterin in Regensburg bei der Justiz begann, den Sprung an die Spitze geschafft. Im obersten Gericht des Landes wird sie nicht als "Hilfswissenschaftlerin" sondern als Richterin komplexe Rechtsfragen beurteilen.
Ein Traum? "Natürlich", sagt Julia Ettl, auch wenn sie diese Karriere nicht planen konnte – bislang weiß sie noch nicht einmal, wann, wo und in welchem Senat ihr Tätigkeitsfeld liegen wird. Beim BGH dreht sich, wie in jedem anderen Betrieb auch, das Personalkarussell. Es wurden Richter in den Ruhestand verabschiedet, interne Bewerbungen sind noch möglich, und daher ist offen, wo die fünf Frauen und die fünf Männer, die neu gewählt wurden, landen.
"Ich bin neugierig", sagt Julia Ettl, deshalb wechselte sie in ihrer Laufbahn immer wieder die Blickrichtung. Sie war bei der Staatsanwaltschaft Straubing, bei verschiedenen Gerichten in Regensburg und Nürnberg-Fürth, sie arbeitete im Justizministerium in Berlin – und ob sie beim BGH künftig für Familien-, Banken- oder Strafrecht zuständig sein wird, ist offen. Geklärt ist auch noch nicht, ob sie einem der Senate in Leipzig zugeteilt oder in ein neues Büro im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais in Karlsruhe einziehen wird.
"Jedes Detail im Blick"
Einige Richter aus Nürnberg haben diesen Weg schon geschafft. Die Bewerber werden deutschlandweit von den Justizministern meist auf Anregung der Präsidenten der Oberlandesgerichte vorgeschlagen, dann geht es zum Vorstellungsgespräch, "vorsingen" nennen Juristen dies intern.
Der Staat beurteilt die Qualität seiner Richter alle vier Jahre, dann sitzt der Präsident des Gerichts im Zuschauerraum und hört, wie Recht gesprochen wird. Sobald es einer der Juristen zum Vorsitzenden Richter am Landgericht gebracht hat oder OLG-Richter wurde, wird er in der Regel nur noch zweimal beurteilt.
BGH-Entscheidungen sind häufig politisch brisant
Über die neuen Bundesrichterinnen und Bundesrichter entscheidet der Bundesrichterwahlausschuss; er setzt sich aus den 16 Landesjustizministern sowie 16 vom Bundestag gewählten Mitgliedern zusammen. Auch wenn es wünschenswert ist, dass die Richter alle Bundesländer repräsentieren, Männer und Frauen und unterschiedliche Altersgruppen vertreten sind – eine Quote gibt es nicht.
Auch wenn es die Wahl nahelegt — das Amt endet nicht nach einer Periode. Die obersten Richter gehen zwischen dem 65. und 67. Lebensjahr in Pension. Es ist nicht nur die scharlachrote Robe, die das Amt populär macht. Die Entscheidungen des BGH sind häufig politisch brisant, auch wenn die Politik den Fall nicht beeinflussen darf.
"Wie die Übersetzung eines lateinischen Satzes"
Doch ob die Robe der Richterin wie bisher schwarz oder künftig rot ist — sie ist nicht nur traditionelle Standestracht, sondern sie verhüllt vor Gericht auch den privaten Menschen; er funktioniert als Element der Rechtsordnung. Eine Einheitlichkeit, die ausdrücken soll: Vor Gericht sind alle gleich, ob Politiker oder Polier am Bau.
Julia Ettl schwingt keine großen Reden. Sie spricht, wenn sie etwas zu sagen hat, und komplizierte, rechtliche Fragen nennt sie "Nüsse", die es zu knacken gilt.
"Sie hat jedes Details im Blick, verliert aber nie den Blick auf den großen Konflikt", kommentiert Justizsprecher Friedrich Weitner. Und OLG-Präsident Thomas Dickert, der sie als Bundesrichterin empfahl, beklagt nun ihren Verlust – schon weil die Juristin im "Nebenjob" mit historischem Wissen glänzte und regelmäßig Besucher durch den Justizpalast führte.
"Ich bin einfach neugierig"
"Wenn ich eine rechtliche Frage durchdrungen habe, fühlt es sich an, wie die gelungene Übersetzung eines lateinischen Satzes", sagt sie selbst. Ihr Vergleich kommt nicht von ungefähr: Sie spricht englisch, französisch, italienisch und schwedisch – und dies flüssig. Bei einer Tagung betreute sie die schwedische Justizministerin, sie arbeitete monatelang in einer Kanzlei im italienischen Verona und ging zwei Wochen zum Richteraustausch in die Normandie.
"Wie gesagt, ich bin einfach neugierig", sagt sie. Und egal, welche Farbe die Robe hat, eingeführt wurde der Talar nur aus einem Grund: 1726 verfügte König Friedrich Wilhelm I. von Preußen: "Wir befehlen, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt."
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