Diesel-Fahrverbote: Meinungen in Nürnberg gehen weit auseinander

28.2.2018, 08:03 Uhr
An der Rothenburger Straße ist das Verkehrsaufkommen und die Umweltbelastung hoch. Dass es auch in Nürnberg zu Fahrverboten kommen könnte, ist bislang aber noch Zukunftsmusik.

© Günter Distler An der Rothenburger Straße ist das Verkehrsaufkommen und die Umweltbelastung hoch. Dass es auch in Nürnberg zu Fahrverboten kommen könnte, ist bislang aber noch Zukunftsmusik.

Handwerker Claudio Paulus, Richard Mergner vom Bund Naturschutz und Jochen Loy vom Vorstadtverein Nürnberg-Nord sind da ganz unterschiedlicher Meinung. Dass der Mann sauer ist, daraus macht er erst gar keinen Hehl. Der Geschäftsführer des Sanitär- und Elektroinstallationsbetriebs "e.engelhardt" in der Nürnberger Bielingstraße ist sogar ziemlich wütend. Wütend auf die Politik, wütend auf die Autoindustrie und wütend auf die Aussicht darauf, dass es vielleicht tatsächlich auch in Nürnberg zu Fahrverboten für Dieselfahrzeuge kommen könnte.

Denn ein Dieselfahrverbot in Nürnberg hätte für Claudio Paulus dramatische Folgen: "Das käme für mich einem Berufsverbot gleich", sagt er. Sein Betrieb hat 21 Lieferwagen, gerade einmal vier davon erfüllen die Euro-6-Norm. Alle anderen wären von einem möglichen Fahrverbot betroffen. "Ich bin nicht in der Lage, 17 Fahrzeuge innerhalb eines Jahres umzurüsten oder neu zu kaufen. Ein Fahrzeug kostet zwischen 30.000 und 35.000 Euro. Das ist für mich nicht darstellbar", sagt Paulus, ehe er sich so richtig in Rage redet.

Sein Feindbild: Die Autoindustrie. "Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass die Versäumnisse eines anderen, sprich der Autoindustrie, auf dem Rücken eines anderen ausgetragen werden. Im Lieferwagenbereich passiert ja noch weniger als im PKW-Bereich. Wenn ich einen Fehler mache, muss ich doch auch versuchen, ihn auszubessern", sagt Paulus.

Hoffnung auf Ausnahmeregelungen

Paulus betont, dass es ihm keinesfalls darum geht, die Umweltverschmutzung und den medizinischen Aspekt außen vor zu lassen. Im Gegenteil: "Die Gesundheit der Bürger ist ein wichtiges Gut."
Würden tatsächlich Fahrverbote in Nürnberg durchgesetzt, käme Paulus nicht einmal mehr zu seinen Kunden. "80 Prozent sind im Innenstadtbereich zu Hause. Soll ich denen sagen, wenn ihnen bei der Kälte die Heizung kaputt geht, dass ich erst vorbei komme, wenn ich wieder fahren darf?", fragt Paulus, der an die Stadt appelliert: "Ich hoffe, dass Nürnberg so weitsichtig ist, Fahrverbote nicht durchzusetzen. Sonst habe ich ein ernsthaftes Problem", sagt Paulus.

Er hofft  auf Ausnahmegenehmigungen für das Kleingewerbe und den Mittelstand. Die Handwerkskammer bereitet schon einmal entsprechende Proteste vor. Noch hält Claudio Paulus die Füße still. Aber er ist wütend. Richtig wütend.

Einer, der das naturgemäß ganz anders sieht, ist Richard Mergner, der verkehrspolitischer Sprecher des Bund für Umwelt-und Naturschutz und bayerischer Landesbeauftragter. Ein bisschen verspätet trifft Richard Mergner an der Landesgeschäftsstelle des Bund Naturschutz in der Bauernfeindstraße ein.

Er kommt direkt aus Würzburg mit dem Zug. Natürlich mit dem Zug. Schließlich setzt sich Richard Mergner als verkehrspolitischer Sprecher des Bund für Umwelt- und Naturschutz für ein Dieselfahrverbot auch in der Nürnberger Innenstadt ein. "Wir sind für Fahrverbote als Mittel zum Zweck, damit die Kraftfahrzeuge auf der Straße endlich die Schadstoffgrenzwerte einhalten - und das ohne Tricksereien."

Autoindustrie in der Pflicht

Es müsse endlich Druck auf die Autoindustrie entstehen, Dieselfahrzeuge entsprechend nachzurüsten und dafür gesorgt werden, dass die Menschen in Nürnberg nicht mit einer Luft leben müssen, die Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Asthma hervorruft. Mergner sieht hier die Politik in der Pflicht: "Die Umwelt und die Menschen haben ja nur ein Problem, weil die Verantwortlichen nicht gehandelt haben." Eine weitere Möglichkeit sieht er auch darin, die Radinfrastruktur auszubauen und den öffentlichen Verkehr zu stärken.

Dem schließt sich auch Jochen Loy, der stellvertetende Vorsitzende des Vorstadtvereins Nürnberg-Nord (VNN) an, der sich aber nicht für ein generelles Fahrverbot in Nürnberg ausspricht. Zwar gebe es auch im Einzugsgebiet des Vereins immer wieder Beschwerden über Abgasbelastung, der VNN halte aber mehr von einem langfristigen, zukunftsorientierten Verkehrskonzept.

VAG und Stadt als Vorbild

"Da sehe ich die Stadt und die städtischen Verkehrsbetriebe in der Pflicht, denn diese haben eine gewisse Vorbildfunktion", meint Loy. Um die Pendlerströme mit dem Auto zu verringern, müsse weiter in den Ausbau des Nahverkehrs investiert werden. Das könnte etwa durch ein attraktives ÖPNV-Tarifsystem gelingen.

Die VAG müsse zudem versuchen, ihre dieselbetriebenen Busse nachzurüsten, um Emissionen langfristig zu reduzieren. Beim Neukauf von Bussen solle außerdem auf Nachhaltigkeit geachtet werden, rät Loy.

Der VNN wünscht sich zudem mehr Mobilitätspunkte und E-Auto-Ladestationen. Das habe er etwa bei der Planung der neuen Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 4 am Wegfeld vermisst, so Loy.

 

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