"Dreiviertelmond": Griesgram mit Herz

Regina Urban

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8.10.2011, 00:00 Uhr
Ankunft in Nürnberg: Szene mit Elmar Wepper als Taxifahrer Hartmut, Mercan Türkoglu als die kleine Hayat und Ivan Anderson als ihre Mutter.

© Majestic Ankunft in Nürnberg: Szene mit Elmar Wepper als Taxifahrer Hartmut, Mercan Türkoglu als die kleine Hayat und Ivan Anderson als ihre Mutter.

Publikumsliebling Wepper spielt in „Dreiviertelmond“ einen griesgrämigen fränkischen Taxifahrer, der durch die Begegnung mit einem kleinen türkischen Mädchen den weichen Kern in sich entdeckt. Mit viel Herz und Witz wird diese Geschichte erzählt, die ganz von ihren zwei hinreißenden Protagonisten getragen wird und Klischees leichthändig umschifft.

Zübert, der auch das Drehbuch schrieb, suchte sich Nürnberg gezielt als Schauplatz aus, weil die Stadt „eine gewisse Härte hat“ und er „echte Menschen in echten Umgebungen“ zeigen wollte. Nun präsentiert er uns die Frankenmetropole im schönsten Herbstlicht, lässt die Kamera mehrmals in Totalaufnahmen schwelgen, spart aber auch das Spießige und Kleinbürgerliche nicht aus. 

Zübert lässt den touristischen Blick auf Nürnberg bewusst außen vor und beweist viel Gespür für den ganz speziellen Alltagscharme Nürnbergs. Mit Elmar Wepper als vorurteilsbeladenem Taxifahrer Hartmut Mackowiak sowie der gerade sechsjährigen Mercan Türkoglu als Hayat hat er zudem ein ungleiches Traumpaar vor die Kamera geholt, in das man sich einfach verlieben muss.

Dabei ist dieser Hartmut erst mal ein wahres Ekel. Als die aus Istanbul angereiste Gülen mit ihrer Tochter Hayat am Flughafen in sein Taxi steigt, hat er auf dem Weg nach Gostenhof gleich mehrfach Gelegenheit, seine Haltung gegenüber Ausländern zu artikulieren. Dass die Fahrt auf abenteuerlichen Umwegen an Kanal und Kolosseum entlang führt, entschuldigt man gerne. Ein bisschen Sightseeing durch die Stadt darf ruhig sein.

In Gostenhof – für das Fürth die Kulisse hergab – lebt Hayats Großmutter. Sie soll die Kleine eine Zeit lang in ihre Obhut nehmen, da Gülen (von Ivan Anderson als selbstbewusste, moderne Frau gespielt) einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff bekommen hat. Doch am nächsten Tag fällt die Oma ins Koma, wird ins Krankenhaus gebracht und Hayat steht plötzlich ganz alleine da. Wie es der Zufall will, trifft sie Hartmut wieder, der einzige Mensch, den sie in der fremden Stadt kennt. Und der muss sich nun widerwillig um das Mädchen kümmern.

Tiefe Zuneigung

„Dreiviertelmond“ erzählt vom Zusammenprall der Kulturen, doch das wird nie aufdringlich in den Vordergrund gestellt. Vielmehr geht es darum, wie ein Mann, der sich in sein Schubladendenken verbarrikadiert hat und nach 35 Ehejahren von seiner Frau (Katja Rupé) verlassen wurde, gezwungen wird, sein Verhalten und seine Vorurteile zu überdenken. Auch wenn der ruppige Hartmut und die liebenswert sturköpfige Hayat verschiedene Sprachen sprechen (zum hilfreichen Dolmetscher wird ein perfekt fränkisch parlierender Dönerverkäufer), entsteht zwischen den beiden bald eine große Zuneigung.

Gleichwohl wird es nie kitschig oder allzu sentimental. Zübert verbindet feine Slapstick-Szenen mit ernsten Momenten. Herrlich, wenn Hayat die Schimpfworte des Taxifahrers nachplappert und der plötzlich von seiner eigenen Empfindsamkeit überrascht wird. Auch schmerzhafte Erfahrungen werden nicht wieder glattgebügelt, sondern sind ein Teil des Lebens, dem man sich stellen muss.

Zübert, gebürtiger Franke und mit einer Türkin verheiratet, kennt sich aus mit den Milieus, von denen er erzählt. Er entwirft keine Abziehbilder, sondern glaubwürdige, realitätsnahe Charaktere auch in den Nebenrollen. Mit „Dreiviertelmond“ ist ihm ein zutiefst menschlicher Film gelungen – herzerwärmend, witzig und klug. (D/94 Min.; Admiral, Cinecittà, Metropolis, Nürnberg; Babylon, Fürth; CineStar, Manattan, Erlangen)

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