«Ein Bruch mit guter Siemens-Tradition»

1.7.2008, 00:00 Uhr
«Ein Bruch mit guter Siemens-Tradition»

© Ralf Rödel

Der SPD-Politiker wird das Gefühl nicht los, dass mit dem Sparprogramm «eine schönere Story für die Börse» geschrieben werden soll. «Das klänge dann aber ein bisschen wie ein Bruch mit guten Siemens-Traditionen», formuliert der OB vorsichtig. Der OB, der aus den Medien vom Stellenabbau erfuhr («Auch das war früher anders»), weiß um die «schnelle Endlichkeit» kommunalpolitischer Instrumente im Fall von Arbeitsplatzverlusten. Ein ernstes Schreiben an Siemens-Chef Peter Löscher, Gespräche mit den örtlichen Konzern-Verantwortlichen und Betriebsräten - viel mehr kann er derzeit nicht tun.

Günstiges Umfeld

Auch sein Erlanger Kollege Siegfried Balleis (CSU), dessen Stadt mit dem Abbau von 1330 Siemens-Stellen bis 2010 rechnen muss, vermittelt wenig Hoffnung, dass an den Plänen noch etwas zu ändern sei. Für die Betroffenen hält er als Trost parat, dass die Arbeitsmarktsituation in Erlangen insgesamt sehr erfreulich ist. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt ist auf den historischen Höchststand von 92 000 angewachsen. «Wir haben praktisch Vollbeschäftigung», sagt Balleis. Und er vertraut darauf, dass die Zusicherung, die Stellen würden nach Möglichkeit ohne Kündigungen und sozialverträglich über die normale Fluktuation abgebaut, vom Konzern eingehalten wird.

Die Kontakte zu den Siemens-Verantwortlichen am Ort sind laut Balleis nach wie vor sehr gut. Aber der Erlanger OB spürt auch Veränderungen. «An der Konzernspitze gibt es nicht mehr den lokalen Bezug wie früher, als Heinrich von Pierer Vorstandsvorsitzender und Hermann Franz Aufsichtsratschef war.» Deshalb, meint Balleis, werde es «noch einige Überzeugungsarbeit kosten», bis den neuen Konzern-Lenkern «die Bedeutung des Standorts Erlangen» klargemacht sei.

In der IG Metall ärgert man sich unterdessen immer noch darüber, bei der Veröffentlichung der Stellenabbau-Zahlen komplett übergangen worden zu sein. Von einer «unseriösen Vorgehensweise» spricht der Erlanger Bevollmächtigte Wolfgang Niclas. «Die Siemens-Spitze provoziert damit jede Menge Spekulationen. Sie wird sich was gedacht haben dabei. Was, das erfahren wir nächste Woche.» Am Montag tagt der bundesweite Wirtschaftsausschuss des Konzerns, in dem endlich auch die Arbeitnehmervertreter über die Details der Planungen informiert werden sollen.

Keine Kompensation

Die bisher bekannte Größenordnung bedeutet nach Überzeugung des IG-Metall-Mannes Niclas, «dass das niemals ohne betriebsbedingte Kündigungen zu erreichen ist». Der vom Konzern angeführte Hinweis auf Hunderte von offenen Ingenieurs-Stellen nütze den vom Personalabbau im Bereich Verwaltung und Vertrieb Betroffenen auch nichts. «Weil Sie den Assistenten eines Abteilungsleiters nicht auf die unbesetzte Stelle eines Ingenieurs setzen können.»

Niclas kündigt Betriebsversammlungen an, in denen die Mitarbeiter nähere Informationen erhalten sollen. Schon am Donnerstag dieser Woche verlangen die Beschäftigten des Siemens-Werks in Nürnberg-Moorenbrunn von ihrer Geschäftsleitung entsprechende Aufklärung. Nächste Woche sollen, so der örtliche IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler, Betriebsversammlungen in der Vogelweiherstraße und der Frankenstraße folgen.