Neue Studie vorgestellt

Eine Partei ist für alle am ehesten wählbar: So stimmen Menschen mit Migrationsgeschichte ab

Erika Balzer

Redakteurin

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26.1.2025, 05:00 Uhr
Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) hat das Wahlverhalten von Menschen mit Migrationsgeschichte untersucht. (Symbolbild)

© IMAGO/Eibner/Franz Feiner Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) hat das Wahlverhalten von Menschen mit Migrationsgeschichte untersucht. (Symbolbild)

In Deutschland leben etwa 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Davon wiederum sind etwa 7,1 Millionen Menschen wahlberechtigt. Das sind rund 12 Prozent aller Wahlberechtigten, die am 23. Februar bei der Bundestagswahl wählen dürfen. Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (kurz: Dezim) hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der Parteipräferenzen und Alltagssorgen von Menschen mit Migrationsgeschichte untersucht wurden.

Definition und Gruppierungen

Menschen mit Migrationsgeschichte bzw. Migrationshintergrund sind entweder selbst nach Deutschland eingewandert oder haben Eltern, die eingewandert sind. Bei der Studie wurden die Befragten in Gruppen und nach Herkunftsregion unterteilt: Menschen ohne Migrationsgeschichte, Menschen aus der MENA-Region (arabische Länder im Nahen Osten und Nordafrika, "Middle East and North Africa") und der Türkei, Menschen mit EU-Migrationshintergrund und Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Dr. Friederike Römer hat die Studie bei einer Veranstaltung des "Mediendienst Integration" vorgestellt.

Bevorzugte Parteien

In der Studie sollten die Befragten angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass sie einer bestimmten Partei ihre Stimme geben. Das Ergebnis: Die am ehesten wählbare Partei bei Menschen mit Migrationshintergrund ist die SPD, auf dem letzten Platz landet die AfD. Bei den anderen Parteien, Bündnis 90/Die Grünen, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und bei Die Linke, unterscheiden sich die Präferenzen der Gruppen untereinander und zu Menschen ohne Migrationshintergrund: So haben Die Linke und das BSW bei Menschen mit türkischer (bzw. aus der MENA-Region) Migrationsgeschichte ein höheres Wählerpotential als bei den anderen untersuchten Gruppen. Eine mögliche Erklärung dafür liefert Yunus Ulusoy, er ist Programmverantwortlicher beim Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung: Menschen mit türkischer Einwanderungsgeschichte könnten sich eher mit Persönlichkeiten identifizieren und würden sich eher von einer einzelnen Person überzeugen lassen als von Parteiprogrammen.

Im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund wurden die Grünen bei allen Herkunfts-Gruppen niedriger eingestuft, also als weniger wählbar. Das geringste Wählerpotential bei allen Befragten hat die AfD. Die höchsten Werte erreicht die Partei bei denjenigen aus ehemaligen Sowjetunion. Ein Grund dafür könnte sein, dass die AfD mittlerweile Wahlprogramme auch auf Russisch herausgibt und diese Personen gezielt anspricht.

Prof. Dr. Jannis Panagiotidis (Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Forschungszentrums für die Geschichte von Transformationen an der Uni Wien) erklärt in diesem Zuge, dass die CDU bei Russlanddeutschen und Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion lange Zeit (aus Dankbarkeit, nach Deutschland kommen zu können) führend war. Sie verliert aber immer mehr an Beliebtheit und die Präferenzen verteilen sich zunehmend auf die Rand-Parteien.

Sorgen und Problemfelder

Die Themenkomplexe, die die Befragten mit Abstand am meisten beschäftigen, sind Wirtschaft und Inflation. Etwa ein Drittel aller Wahlberechtigten - sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund - sieht darin darin die größte politische Herausforderung. An zweiter Stelle kommen die Themen Migration und sozialer Zusammenhalt und Vertrauen in die Politik.

Unterschiede zu Menschen ohne Migrationshintergrund

Auch wenn die Ergebnisse der Studie nicht auf alle Menschen mit Migrationshintergrund anwendbar sind und auch die einzelnen untersuchten Gruppen sehr divers sind, konnte das Dezim einige Trends feststellen: Menschen mit Migrationsgeschichte haben häufiger angegeben, sich Sorgen über ihre materielle Situation, ihre Wohnsituation, ihre Altersversorgung und Kriminalität zu machen. Außerdem haben sie weniger Vertrauen in die Politik und die Parteien als Menschen ohne Migrationsgeschichte. Zudem zeigt die Studie, dass Menschen mit Migrationshintergrund seltener wählen und sich weniger mit einer bestimmten Partei identifizieren.

Was heißt das für die Politik und Bundestagswahl?

Für das Dezim sind die niedrige Wahlbeteiligung und die fehlende Identifikation mit Parteien ein Hinweis darauf, dass die Politik es bisher verfehlt hat, Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland bisher anzusprechen. Dabei ist davon auszugehen (wegen der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und des Nachwachsens von Jahrgängen mit hohem Migrantenanteil), dass in Zukunft noch mehr Menschen mit Migrationshintergrund wahlberechtigt sein werden. "Parteien sollten ein langfristiges Interesse daran haben, diesen Teil der Wählerschaft mit zu berücksichtigen", heißt es in der Studie.

Dr. Friederike Römer vom Dezim betont aber auch, dass die Herkunft und Geschichte von Menschen keinen generellen Aufschluss darüber geben, welche Partei sie oder ihre "Community" letztendlich wählen.

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