Ermordung von Walter Lübcke: Verharmloster rechter Terror

18.6.2019, 05:59 Uhr
Kerzen und eine Nachricht an den verstorbenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) stehen am Haupteingang des Regierungspräsidiums.

© Swen Pförtner, dpa Kerzen und eine Nachricht an den verstorbenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) stehen am Haupteingang des Regierungspräsidiums.

Schließlich scheint die Spur mal wieder in den nach wie vor tiefen Sumpf gewaltbereiter Rechtsradikaler zu führen. Ein bitterer Befund, knapp ein Jahr nach den Urteilen gegen Beate Zschäpe und andere NSU-Protagonisten. Wenn sich die noch dünnen Ermittlungsergebnisse im Mordfall Lübcke bestätigen sollten, ist davon auszugehen, dass gewaltbereite Rechtsextremisten weiterhin in kleinen bewaffneten Zellen operieren. Es sind Gruppierungen die oft nach dem Prinzip des "führerlosen Widerstands" und aus dem Untergrund heraus agieren, also keine formellen Befehlsstrukturen haben, aber dennoch über viele Unterstützer verfügen.

Eine hochgefährliche Methode, die die Ermittlungsbehörden nur zu gut vom NSU kennen. Auch die abgetauchte Terrorzelle rund um Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt verübte ihre zehn Morde und Attentate mit Unterstützung treuer Helfer. Epizentrum ihrer Taten: Nürnberg, das mit drei Morden und einem Sprengstoffanschlag so oft wie keine andere Stadt in Deutschland von den Fanatikern heimgesucht wurde.


Kasseler Regierungspräsident Lübcke tot aufgefunden


Nürnberg wählten sie aus, weil es hier ein besonders aktive rechte Unterstützerszene gab und wohl immer noch gibt. Nur dem beharrlichen Nachfragen unserer Zeitung ist es zu verdanken, dass inzwischen zumindest schemenhaft die örtlichen Strukturen hinter den Tätern erkennbar sind. Die Behörden, vor allem der Verfassungsschutz, die zu allererst diese Aufklärung leisten sollten, fielen hingegen vor allem durch Schweigsamkeit auf.

Egal, ob es um das Münchner Oktoberfestattentat von 1980 mit 13 Toten oder die Taten des NSU geht: Wenn Rechtsradikale morden, dann sind die Ermittlungen nicht nur von peinlichsten Pannen geprägt, sondern es ist auch fast immer reflexartig-beschwichtigend von Einzeltätern die Rede. Einen größeren Zusammenhang wollen die Ermittler meistens nicht erkennen, wohl in der Hoffnung ihre eigenen Verstrickungen damit kaschieren zu können.

Von V-Leuten infiltriert

Denn dass der Verfassungsschutz lange vor der Polizei wusste, wo sich die NSU-Mordbande aufhielt, ist inzwischen hinreichend dokumentiert. Aber da die Szene massiv mit V-Leuten infiltriert zu sein scheint und mit dem Geld des Verfassungsschutzes möglicherweise sogar finanziert wird, blockt man Aufklärungsversuche ab.

Auch der jetzt festgenommene Tatverdächtige und die Kampfgruppe "Combat 18" sind für die Behörden keine Unbekannten. Aber Warnungen, dass es wieder Tote geben könnte, wurden in den Wind geschlagen. Hoffentlich nutzen die Behörden diesmal die Chance, zu beweisen, dass sie auf dem rechten Auge nicht blind sind und klären den Mord inklusive der dahinterliegenden Strukturen auf.

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